Das Schachspiel der Zukunft

Strategische Personalentwicklung als Schlüssel zum Unternehmenserfolg

KI-generiertes Bild eines Schlüssels

„Ich glaube nicht, dass irgendjemand durch das Schachspielen schon dümmer geworden ist. Die Analyse und Planung, im Übrigen auch die Nervenanstrengung und Nervenkraft, die das Spiel erfordert, sind sicher eine Hilfe. Nur ist das Leben im Allgemeinen und die Politik im Besonderen von so vielen gefühlsmäßigen und irrationalen Komponenten geprägt, dass man sich bestimmt nicht einbilden darf, eine gute Fähigkeit des Schachspielens wäre bereits eine Garantie für gutes Regieren.“ – Richard von Weizsäcker.

Monika Berezowski

Die Perspektive Weizsäckers lässt sich nicht nur auf das Regieren in politischen Kontexten übertragen, sondern auch auf das unternehmerische Umfeld. Im Schachspiel ist jeder Zug Teil einer übergeordneten Strategie, die darauf abzielt, den Gegner schachmatt zu setzen. Ähnlich verhält es sich mit der Personalentwicklung: Jeder Schritt – sei es eine Weiterbildung, eine Beförderung oder die Einstellung eines neuen Mitarbeiters – muss in den Gesamtkontext der Unternehmensstrategie passen. Doch der Weg zum Unternehmenserfolg führt nicht vorbei am Blick auf die einzelnen Komponenten der Gesamtorganisation. Um in unserer Metapher zu bleiben: Ein erfolgreicher Schachspieler erkennt frühzeitig die Bedeutung jeder Figur, ebenso wie ein Unternehmen die Potenziale seiner Mitarbeitenden erkennen und fördern muss. Wichtig ist, dass auch die irrational erscheinenden Aspekte ihrer beruflichen Motivation berücksichtigt werden.

Die Herausforderung besteht also darin, Personalentwicklung sowohl ganzheitlich zu denken als auch den Individualbedürfnissen einzelner Mitarbeitenden genug Gewichtung zu schenken. Ein Balanceakt, den ich im Kundenkontakt täglich begleiten darf.

Personalpolitisches Schachbrett erfolgreicher Global Player

Es gibt zahlreiche Indikatoren dafür, wie wichtig die einzelnen Figuren der wirtschaftlichen Personalpolitik sind, um strategische Unternehmenserfolge zu verzeichnen. Allein ein Blick auf die strategische Personalentwicklung eines der global erfolgreichsten Unternehmen wie Google genügt, um zu erkennen, auf welchem Aspekt sich die Bemühungen konzentrieren sollten. Wer bei Google arbeitet, darf sich über eine starke Individualitätszentriertheit bei der strategischen Unternehmensgestaltung freuen. Die unkonventionellen und innovativen Steuerungsentscheidungen des Unternehmens werden auch auf der Ebene der Personalentwicklung sichtbar durch:

  • Stringente Mitarbeiterzentriertheit – Flache Hierarchien, um Machtmissbrauch zu vermeiden; gerechte Mitarbeitenden-Benefits quer durchs Gesamtunternehmen; Fairplay und Sichtbarkeit von Individuen als Unternehmenswerte.
  • Kollektive Einstellungsmethoden – Distanzierung von Personaleinstellung auf Grundlage akademischer Abschlüsse, vielmehr wird im Einstellungsprozess der persönliche Fit zwischen potenziellem Mitarbeitenden und Unternehmen erforscht; Integration von direkten Kollegen und gemeinsame Entscheidungsfindung bei der Einstellung neuer Mitarbeitenden in bestehende Teams.
  • Breiten Fundus an Perspektiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten – Inspiration zur individuellen Entwicklung durch diverse Orientierungs- und Lernmöglichkeiten wie Projektrotationsmethoden und vielfältige Curricular.
  • Wertigkeit individueller Befindlichkeiten – Interesse an der persönlichen Situation sowie Wertesystemen und Bedürfnissen einzelner Mitarbeitenden; regelmäßige Aufarbeitung dieser individuellen Aspekte und Einbezug dieser in die gesamtheitliche Unternehmensstrategie.
  • Sinnstiftende Rollenausrichtung – Diese Philosophie steht bei Google personalpolitisch im Zentrum und sorgt für eine erhöhte Identifikation mit dem Job, ein starkes Gefühl von Unternehmenszugehörigkeit und somit eine Integration individueller Ziele und der des Gesamtunternehmens.
  • Transparente und durch Vertrauen gekennzeichnete Arbeitsstrukturen – Informationstransparenz in die Gesamtstruktur des Unternehmens hinein und Mitsprachemöglichkeiten aus dieser heraus sind ein zentraler Faktor bei Google, ebenso wie die Überzeugung, dass selbstbestimmtes Arbeiten die wertvollsten Ergebnisse hervorbringt.

Herausforderungen hybrider Arbeitswelten

Eine der zentralsten Herausforderungen entsteht durch die hybriden Arbeitswelten der Gegenwart. Mobiles Arbeiten schafft eine Distanz zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden, welche die Integration der Individualebene in die strategische Personalentwicklung mit Hürden durchzieht. Die Identifikation von Elementen der Personalentwicklung muss sich zwangsläufig verändern, um Erfolgsmotoren wie mitarbeiterzentriertes Handeln durch Einbezug individueller Situationen, Aufrechterhaltung von Vertrauensverhältnissen und Transparenz sowie bedürfnisorientierte Rollenprofile und Entwicklungsmöglichkeiten im hybriden Raum zu sichern.

Intensive Interaktion sichern

Klassische Leistungsbeurteilungen gestützt durch Mitarbeitergespräche im Halbjahreszyklus sind nicht mehr ausreichend. Um fundierte Entscheidungen in der Personalstrategie zu treffen, ist ein engerer Austauschrhythmus unumgänglich. Eine Vielzahl von Interaktionen wird auf den digitalen Raum verlegt und erfordert so mehr Anstrengung, um regelmäßige zwischenmenschliche Interaktionen überhaupt aufzubauen, den gezielteren Einsatz von digitalen Tools der Personalentwicklung, um die Transparenz über Fähigkeiten und Bedürfnisse aufrechtzuerhalten, sowie sorgfältigere Kommunikation zur Sicherung von Vertrauen innerhalb von Teams und zu Führungskräften.

Individuelle Lebenswelten ermöglichen

Der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf auf der einen und Familie und Freizeit auf der anderen Seite kursiert schon einige Zeit in der arbeitspolitischen Wissenschaft. Durch das zunehmende Verlagern des Arbeitsplatzes in den digitalen Raum wird dieser noch weiter verstärkt. Der neue Arbeitsraum ermöglicht eine intensiviertere Möglichkeit zur individuellen Lebensgestaltung. Die strategische Personalentwicklung moderner Unternehmen muss diese zwingend mit in ihre Kalkulation einbeziehen. Um fähige Mitarbeitende an das eigene Unternehmen zu binden, ist die Förderung solcher individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in der Personalentwicklung durch flexible Entwicklungsoptionen unumgänglich.

Handlungsempfehlungen

Wie genau sollte nun Personalentwicklung aussehen, die es ermöglicht, individuelle Aspekte aller Mitarbeitenden in die strategische Gesamtausrichtung eines Unternehmens zu integrieren und so Produktivität und letztendlich Unternehmenserfolg zu sichern?

Vorbildfunktion einer Führungskraft

Um die strategischen Ansätze der Personalentwicklung eines Unternehmens zu sichern, ist es von Bedeutung, dass Führungskräfte eine Vorbildfunktion leben. Die interne Lernkultur sollte den Mitarbeitenden präsent sein. Die Aufgabe einer erfolgreichen Führungskraft ist es, ihren Mitarbeitenden diese aktiv vorzuleben, sie zu motivieren, die Lernangebote zu nutzen, und einen engen Austausch zur Sicherung von Transparenz vorzugeben. So wird nicht nur gefördert, dass vorhandene Angebote genutzt werden, sondern auch, dass zukünftige Angebote bedürfnisorientiert gestaltet werden können.

Individuelle Entwicklungspläne

Unabdingbar ist, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden und ihre individuellen Lebensrealitäten kennen. Hierbei geht es nicht nur um Kenntnisse von Fähigkeiten und inhaltlichen Fortbildungsbedarfen der Mitarbeitenden. Auch intrinsische Motivatoren sowie persönliche Lebensentwürfe sollten erfasst werden. So haben Führungskräfte die Chance, auf Lernpläne einzuwirken, welche durch on-Demand-Abrufe oder digitale Austragung den Mitarbeitenden eine flexible Lebensgestaltung ermöglichen.

Führungskraft als Coach

Auch durch das Auftreten als persönlicher Coach haben Führungskräfte diverse Einwirkungsmöglichkeiten im Bereich der Personalentwicklung. Durch diese enge Begleitungsform kann sichergestellt werden, dass Mitarbeitende in ihrem alltäglichen Arbeitsumfeld lernen und begleitend neue Fähigkeiten erlangen oder die Bestehenden stark ausbauen können, ohne intensive Zeit und Energie für konkrete, zeit- oder ortsgebundene Fortbildungsangebote aufwenden zu müssen.

Die Rolle künstlicher Intelligenz in der Personalentwicklung

Der Ausbau künstlicher Intelligenz hat auch für die Personalentwicklung massive Vorteile. Die beschriebenen Herausforderungen und Handlungsansätze können massiv durch den Einsatz der KI-Infrastruktur profitieren. Konkret gesprochen kann der Einsatz von KI in der Personalentwicklung die Integration von Individualität in die gesamtstrategische Ausrichtung des Unternehmens garantieren.

Die Möglichkeiten der KI

Künstliche Intelligenzen sind in der Lage, große Datenmengen zu verarbeiten und somit zuverlässige Kompetenzanalysen und -bewertungen für gesamte Unternehmensstrukturen zu erstellen. Sie können Entwicklungsprozesse automatisieren sowie Lernpfade für einzelne Mitarbeitende individualisieren (Armborst 2023).

Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können Kursinhalte vereinfacht erstellt werden. Statt den Kursaufbau an externe Expert:innen zu übertragen, können auch Personen mit weniger Erfahrung durch die Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz fundierte Kursinhalte erstellen. Auch bereits vorhandenes (unternehmensspezifisches) Wissen kann mithilfe künstlicher Intelligenz einfach aufgearbeitet werden. Statische Dokumente können mit Hilfe KI-gestützter Schreibprogramme in interaktive Lerninhalte verwandelt werden, ohne ein hohes Maß an personellen und finanziellen Ressourcen zu binden.

Auch bei Fragen der Datenauswertung sind KI-Strukturen von zentraler Bedeutung und wesentlicher Hilfe. Bestimmte Programme können Mitarbeitende beispielsweise dabei unterstützen, den richtigen Entwicklungspfad zu wählen, und der Personalentwicklung helfen, die benötigten Fähigkeiten herauszuarbeiten und so passende Curricula anzubieten (Campbell 2023).

Kritischen Blickwinkel beibehalten

Auch wenn sich die KI-Infrastruktur rasch entwickelt, kann nur betont werden, wie wichtig es ist, sich das kritische Hinterfragen beizubehalten. Es gibt noch immer enorme Herausforderungen, beispielsweise im Bereich des Datenschutzes, wenn es um die Auswertung mitarbeiterbezogener Daten geht (Armborst 2023). Und auch inhaltlich sollten die Ergebnisse künstlicher Intelligenz stets geprüft und hinterfragt werden.

Fazit

Kein Schachspiel ohne intensive Auseinandersetzung mit den Figuren des Schachbretts und ihren Funktionen – diesen Leitsatz kann man bedenkenlos in den Bereich der strategischen Personalentwicklung übernehmen. Die Bedeutung individueller Bedürfnisse, Lebensrealitäten und Zielsetzungen hat in den vergangenen Jahren immer stärker zugenommen. Unternehmenserfolg ohne die individuelle Betrachtung von Mitarbeitenden mit all ihren Facetten und Ausprägungen ist nur schwer zu erzielen. Deswegen lautet die Empfehlung: Auch im digitalen Zeitalter, das durch neue Distanzen zwischen Menschen geprägt ist, sollte jedes Unternehmen ein großes Augenmerk auf die persönliche Ebene seiner Mitarbeitenden legen. Die Implementierung flexibler, mitarbeiterzentrierter Strategien und der Einsatz moderner Technologien wie KI können dabei entscheidend sein, um sowohl die individuellen Bedürfnisse als auch die Gesamtstrategie des Unternehmens in Einklang zu bringen.

Literatur

Armborst, Jona (2023). Einführung in Künstliche Intelligenz und Kompetenzmanagement: Wie KI die Personalentwicklung revolutioniert. https://blog.growify.de/blog/einfuhrung-in-kunstliche-intelligenz-und-kompetenzmanagement-wie-ki-die-personalentwicklung-revolutioniert#:~:text=Die%20Rolle%20der%20KI%20in%20der%20Personalentwicklung%20Die,erstellen%2C%20die%20auf%20individuellen%20Bed%C3%BCrfnissen%20und%20F%C3%A4higkeiten%20basieren [abgerufen am 14.07.2024].

Bock, Laszlo (2016). 14 Erfolgsfaktoren, die im HR von Google anders und oft auch besser sind, https://www.hrpraxis.ch/2016/05/14-erfolgsfaktoren-die-im-hr-von-google.html [abgerufen am 14.07.2024].

Campbell, Frederique (2023). KI in der Personalentwicklung.4 praktische Anwendungen, mit denen Sie sich einen Vorsprung verschaffen. https://360learning.com/de/blog/ki-in-der-praxis/ [abgerufen am 14.07.2024]

Oliver Tokarski, Kim et al (2024). Transformationen gestalten. Beiträge aus Forschung und Praxis des privaten und öffentlichen Sektors. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-42775-7, [abgerufen am 14.07.2024].