Projektmanagement ohne technische Tools ist undenkbar. Aber mit welchen Lösungen können Unternehmen die steigenden und komplexen Anforderungen bewältigen?
Der rasante Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft macht auch vor dem Projektmanagement nicht Halt. Anhand des Tiba Achsenkreuzes stellt dieser Beitrag Fragen und gibt Antworten auf die zukünftige Entwicklung des Projektmanagements:
In den 80er und 90er Jahren waren die Treiber der Toolunterstützung die Rüstungsindustrie, die Luft- und Raumfahrt, die Automobilbranche und der Anlagenbau. Dies hat u.a. zur Folge gehabt, dass ein wesentlicher Bestandteil der damaligen Systeme sich insbesondere der Netzplantechnik / Terminplanung gewidmet hat.
Im Anschluss an diese Innovationstreiber hat die IT u.a. mit ihren Anforderungen an das Ressourcenmanagement in der Matrix, der Leistungsverrechnung u.ä. die Trends im toolgestützten Projektmanagement gesetzt.
Agile Methoden setzen sich aktuell vermehrt durch. Dabei war und ist das IT Projektmanagement einer der wesentlichen Treiber. Seit einigen Jahren ist nun der Fokus auf die Anforderungen des sogenannten New Product Developments (NPD) gerückt. Abgeleitet aus einem Produktportfolio, einer NPV Berechnung o.ä. wird dabei das Projektportfolio sowie das Einzelprojekt getriggert. Parallel ist branchenübergreifend das kollaborative Projektmanagement Grund für Systemweiterentwicklungen.
Systeme und Tools werden für Märkte entwickelt, die eine besondere Nachfrage haben. Dies hat gleichsam Auswirkung auf die anderen Parameter des Achsenkreuzes.
Bei NPD Projekten, bestehend aus R&D und Produktionsprojekten, rückt zunehmend die Frage nach dem Anteil des Projektes an der Wertschöpfung eines Unternehmens in den Fokus. Damit rückt das Magische Dreieck des Projektmanagements als Leitbild in den Hintergrund, es kommt vermehrt zu einen Paradigmenwechsel. Nun geht es also darum, ob mit dem angestrebten Produkt, welches über Projekte am Markt lanciert wird, eine hinreichende und notwendige Wertschöpfung erzielt werden kann.
Dabei muss die oftmals bisher anzutreffende Clusterung von Projekten über ein klassisches Life Cycle Management im Rahmen einer Digitalisierung etc. auf neue Beine gestellt werden. Die damit einhergehenden Querschnittsprojekte über verschiedene Produktklassen werden deutlich zunehmen und das Produktportfolio muss folglich mehrdimensional betrachtet werden.
Ein weiterer Einflussfaktor wird der bereits erwähnte Beitrag von Projekten an der Wertschöpfung eines Unternehmens sein. Dies kann zu Projektabbrüchen führen, obwohl ein Projekt die gesetzten Projektmanagementziele erfüllt und der Projektleiter das Projekt zielgerichtet gesteuert hat – beispielsweise wenn sich das Produkt entgegen der Erwartung nicht rechnen sollte. Dieser fehlende Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens führt bereits heute bei Pharmaprojekten zum Abbruch.
Über alle vier Achsen bzw. Erfolgsparameter des Tiba Achsenkreuzes lassen sich für die Vergangenheit & Zukunft in grober Dekadeneinteilung einige interessante Betrachtungen herleiten:
Die 80er Jahre waren durch Großrechnersysteme wie Artemis 9000 und Termikon geprägt – zusätzlich gab es einige DOS gestützte Einzelplatzsysteme. In den 90iger Jahren haben dann Client / Server Systeme Einzug am Markt gehalten. Einer der Marktführer war Artemis Views. Und fast pünktlich zur Jahrtausendwende bestimmten das Intranet und webbasierte Systeme die Entwicklung. Hersteller wie Artemis haben den Trend verschlafen und andere konnten in die Lücke stoßen. Seit ca. 2010 gewinnen SaaS oder Cloudsysteme vermehrt an Bedeutung. Aber was bringt die nächste Dekade?
Die Entwicklungen und Trends im Projektmanagement wirken sich auch auf die Tools aus. Vollständig monolithische Systeme, die sowohl horizontal (Projektmanagement Prozess) als auch vertikal (Produkt- und Projektportfolio über Multiprojektmanagement bis Einzel-PM) einen kompletten Funktionsumfang bieten, werden an Bedeutung verlieren.
Einzelne, sehr mächtige Systeme wie Planisware, werden hingegen ihre Rolle behaupten, aber auch hier ist der Trend erkennbar: Um diesen mächtigen Leistungsumfang abdecken zu können, muss ein Hersteller mit dem Produkt entsprechende Umsätze erzielen und das ist nur für wenige möglich.
Es wird den Trend hin zu modularen Plattformen geben: Systeme mit bestimmten Vorteilen in ausgewählten Einsatzbereichen werden an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig müssen die Systeme miteinander kommunizieren – jedoch nicht über schwerfällige traditionelle Schnittstellen, sondern über eine modulare Integration. Schon heute ist dies an vielen Stellen sichtbar. Ein Beispiel von vielen ist die vermehrt sichtbare Anbindung von JIRA an ein PPM System.
Über diese modularen Plattformen werden verstärkt diverse Systeme für diverse Rollen und Aufgaben miteinander integriert. Notwendig ist dies sowohl aus lizenztechnischen Gründen als auch wegen der immer mehr geforderten zielgruppenorientierten Anwenderfreundlichkeit sowie für die Flexibilität der jeweiligen Funktionen.
Aufgrund der Entwicklungen sind in den letzten Jahren zwei neue Ebenen in der Pyramide hinzugekommen. Dies wirkt sich auf sämtliche Achsen des Tiba-Achsenkreuzes aus:
An der Spitze gewinnt neben dem Projektportfolio zusätzlich das Produktportfolio an Bedeutung. Dieses wird durch die Unternehmensstrategie beeinflusst. NPV Betrachtungen, Business Case Berechnungen sind vornehmlich produktgetrieben.
Im unteren Segment ist die immer wichtiger werdende kollaborative Perspektive im Projektteam, die u.a. durch agile Methoden einen Schub erlebt hat, hinzugekommen. Sie wirkt sich auch auf die Toolausgestaltung aus. Anwenderfreundlichkeit, Lizenzmodelle u.v.m. sind nicht zu unterschätzende Themen der nicht-funktionalen Anforderungen.
Diese Veränderung wirkt sich auch auf die Rolle des Projektleiters aus. Nach außen hat er das Projekt gemäß inhaltlicher, terminlicher und kaufmännischer Sicht zu repräsentieren, Status zu vermelden und Entscheidungen einzuholen. Das Ganze häufig mit einem Stage-Gate-Ansatz. Nach innen führt er sein Team, ist kollaborativ tätig und arbeitet häufig agil.
Warum sich agile Methoden durchgesetzt haben, beruht auf vielerlei Gründen. Einige organisatorische (aber auch methodische) Gründe sollen hier beleuchtet werden:
Das Ressourcenmanagement in einer mehr oder weniger ausgeprägten Matrix hat stets hohe Hürden, die häufig zu mehr Frust als Lust führen. Dies betrifft u.a. das Aufwandschätzverfahren, die Kommunikation resp. Abstimmung mit der Linie, die Arbeitspaketsteuerung sowie die kleineren und größeren Störgrößen eines Projektes und die gesamte Auslastungsbetrachtung. Mit agilen Methoden versucht man hier, manchen gordischen Knoten zu durchtrennen.
Das andere sind die zunehmenden Aufgaben, die auf Projektleiterschultern gelegt werden. War der Projektleiter einst ein technischer Projektleiter, wurde er irgendwann auch zum Projektkaufmann. Heute ist er quasi die eierlegende Projekt-Wollmilchsau. Er ist Coach, Controller, Motivator, Vertragsgestalter, Risikomanager, Produktmanager, Entscheidungstreiber, Projektrepräsentant u.v.m. Um die zunehmende Aufgabenvielfalt in den Griff zu bekommen, etablierten sich u.a. unterschiedliche Zertifizierungsmöglichkeiten. Zudem wird versucht, durch Rollen wie Scrum Master, Product Owner etc. die Aufgaben zu splitten. Jedoch wird dies nur eine Übergangslösung sein.
Wenn man auf der anderen Seite der Pyramide die Organisation betrachtet, wird man mit der Clusterung von Produkten mit einem Lifecycle Manager, mit einem Steering Commitee und anderen Organisationsformen den künftigen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Hier muss ein echter Paradigmenwechsel die Projektorganisation verändern. In welche Art und Weise ist noch eine große Unbekannte.
Auch hier gibt es Einschnitte und andere Leitgedanken. Am Ende wird alles davon getrieben sein, dass das Projektmanagement ein Teil der Wertschöpfung des Unternehmens ist.
Der vordergründige Leitgedanke ist nicht wie bisher, das Projekt in Zeit, in Budget mit den gesetzten Zielen ins Ziel zu steuern. Diese Ansätze sind nicht obsolet. Bedeutsam wird aber sein, dass das Projektmanagement bei der Generierung von wertschöpfenden Produkten seinen entscheidenden Beitrag leistet. So simpel diese Aussage klingen mag, so tiefgreifende Auswirkungen hat es auf die Prozesse & Methoden.
Die zukünftige Ausprägung des Faktors Mensch hängt stark von der Entwicklung der anderen Achsen und insbesondere der Anpassung von Organisationsformen ab.
Nehmen wir die Rolle des bisherigen Projektleiters: Im Projekt ist einerseits eine Rolle gefragt, die kollaborativ ein Team führt und steuert. Andererseits gibt es den „Projektaußenminister“, der nach außen das Projekt repräsentiert und für das zukünftige Produkt Verantwortung trägt. Es handelt sich also um unterschiedliche Rollen und Skills, unabhängig von der organisatorischen Umsetzung. Es wird weniger die eierlegende Wollmilchsau als Projektleiter gefragt sein, als eine gewisse, geschickte Arbeitsteilung diverser Rollen mit Auswirkung auf Skills.
Aber gerade bei einer Verteilung von Verantwortlichkeiten wird das geschickte Ineinandergreifen der Projektrollen eine hohe Bedeutung für den Projekterfolg haben.
Projektorganisation, Prozesse und Methoden, Mensch und Technologie beeinflussen sich auch weiterhin stark gegenseitig. Dabei ist es für den Projekterfolg entscheidend, dass alle Achsen des Achsenkreuzes ausgewogen sind. Dies gilt auch für die IT-Tools, die den Projekterfolg unterstützen sollen. Sie werden sich auch künftig danach richten, welche Ziele Unternehmen in welchem Rahmen erreichen wollen.