In unserer sich ständig weiterentwickelnden Arbeitswelt taucht eine neue Art Mitarbeitender auf, der die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und Innovationen vorantreiben, grundlegend verändert. Dieser neue Kollege benötigt weder einen Schreibtisch noch Kaffeepausen oder ein Gehalt. Begrüßen Sie Ihren neuen digitalen Kollegen: den KI-Assistenten, der durch fortschrittliche Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) wie GPT-4 oder Claude angetrieben wird.
Dieser Kollege verfügt über einen riesigen Fundus an öffentlich zugänglichem Wissen, das aus einer Vielzahl von Quellen stammt, darunter Bücher, Artikel, Webseiten und anderen Textdaten. Er kann über Text, Sprache und Bilder mit uns interagieren, und zwar mit unvergleichlicher Geschwindigkeit. Dabei lernt er ständig dazu und verbessert sukzessive seine Fähigkeiten. Zusätzlich zu diesen vielversprechenden Funktionen kann er auch die ihm zur Verfügung gestellten Informationen nutzen und analysieren.
Während einige die Vorstellung ablehnen, dass KI-Assistenten mit Mitarbeitenden vergleichbar sind, sind diejenigen, die sie als solche betrachten, in der Mehrheit und haben laut einem Bericht der MIT Sloan Management Review (Ransbotham et al. 2022) auch eine 1,7-mal höhere Wahrscheinlichkeit, einen Nutzen aus ihnen zu ziehen.
Es ist daher nicht überraschend, dass bis zu zwei Drittel der Mitarbeitenden mit diesem digitalen Kollegen zusammenarbeiten (Statista 2023) und dass fast zwei Drittel der Arbeitnehmenden glauben, dass er mindestens einen moderaten Mehrwert bietet (Ransbotham et al. 2022).
Trotz der Vorteile, die Ihr neuer digitaler Kollege Ihnen bringen mag, birgt seine Integration in eine Organisation auch Herausforderungen. Datenschutz, Sicherheit, Governance und ethische Ausrichtung sind wesentliche Aspekte, die berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus fühlen sich laut einer aktuellen Studie (AvePoint n.d.) zwar die meisten Organisationen gut auf KI vorbereitet, doch stoßen fast alle während der Implementierung von KI auf Herausforderungen. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Organisationen KI-Lösungen nutzt, ohne eine Richtlinie zur korrekten Nutzung von KI einzuführen (AvePoint n.d.). Es ist daher nicht überraschend, dass laut einer Forschung von Blackberry drei von vier Organisationen ein Verbot von ChatGPT und anderen generativen KI-Anwendungen in Betracht ziehen (Sussman 2023).
Darüber hinaus frischt unser neuer digitaler Kollege sein Wissen möglicherweise nur periodisch auf und hat gelegentlich Probleme mit logischem Denken. Dabei beantwortet er nahezu alle Fragen dennoch mit hohem Selbstvertrauen. Leider ist dieses Selbstvertrauen beziehungsweise die Fähigkeit, die Antworten gut fundiert erscheinen zu lassen – auch wenn sie es nicht sind –, einer seiner größten Nachteile. Unbeabsichtigt könnte Ihr neuer digitaler Kollege Sie somit sehr überzeugend auf falsche Wege führen.
Das Problem falscher und auf erfundenen Informationen basierender Antworten wird allgemein als Halluzination bezeichnet, könnte aber treffender als Konfabulation beschrieben werden. Im Gegensatz zu Halluzinationen sind Konfabulationen keine wahrgenommenen Erfahrungen, sondern vielmehr fehlerhafte Rekonstruktionen von Informationen, die durch vorhandenes Wissen, Erfahrungen, Erwartungen und Kontext beeinflusst werden. Konfabulation wird im Allgemeinen mit bestimmten Arten von Hirnschäden in Verbindung gebracht und kann auch als "ehrliches Lügen" beschrieben werden, wobei falsche Informationen ohne Täuschungsabsicht präsentiert werden (Berrios 1998).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ihr neuer digitaler Kollege möglicherweise der kenntnisreichste und reaktionsschnellste ist, mit dem Sie je gearbeitet haben. Dennoch ist es riskant, sich blind auf seine Arbeit zu verlassen, und Ihr Arbeitgeber ist möglicherweise unsicher, ob dieser Kollege überhaupt erwünscht ist.
Auch wenn die Nutzung von KI-generierten Informationen mit Risiken verbunden ist, können Maßnahmen ergriffen werden, um von den Vorteilen zu profitieren und potenzielle Fallstricke zu vermeiden:
1. Überprüfen Sie Informationen und behalten Sie den Überblick:
Um sicherzustellen, dass die KI-generierte Antwort relevant, genau und zuverlässig ist, sollten kritische Informationen stets überprüft und die Ergebnisse kontrolliert werden.
2. Ergebnisse mit zusätzlichem Kontext verbessern und Bereitstellung von Daten sorgfältig abwägen:
Zusätzlicher Kontext verbessert in der Regel die Qualität der KI-Antworten. Sie können diesen Kontext durch manuelles Hochladen verarbeitbarer Informationen wie Bilder, Audio oder Dokumente bereitstellen. Beachten Sie jedoch, dass viele öffentlich zugängliche KIs maschinelles Lernen verwenden, um Modelle zu trainieren, und dass Sie bei den meisten frei zugänglichen Modellen mit Ihren Daten für die Nutzung des Dienstes bezahlen. Teilen Sie daher keine Firmendaten, es sei denn, Ihre Organisation erlaubt dies und die Nutzung Ihrer Daten für das Modelltraining ist in einem – in der Regel kostenpflichtigem – Lizenzvertrag ausgeschlossen.
3. Grenzen verstehen:
Seien Sie sich der Grenzen aktueller KI-Modelle bewusst, insbesondere ihres möglicherweise veralteten Wissens und ihrer Anfälligkeit für logische Fehler.
Eine aktuelle Studie (Nezhurina et al. 2024) des KI-Forschungsvereins LAION zeigt, wie selbst die fortschrittlichsten Modelle heute eine einfache logische Frage etwa jedes dritte Mal falsch beantworten. Die Frage beinhaltet das sogenannte AIW- oder „Alice im Wunderland“-Problem: „Alice hat N Brüder und auch M Schwestern. Wie viele Schwestern hat Alices Bruder?“
Weiterhin formulierten die Forscher ein komplexeres AIW+ Problem, das etwa 24 von 25 Malen falsch beantwortet wurde: „Alice hat 3 Schwestern. Ihre Mutter hat 1 Schwester, die keine Kinder hat – sie hat 7 Neffen und Nichten und auch 2 Brüder. Alices Vater hat einen Bruder, der insgesamt 5 Neffen und Nichten hat und auch einen Sohn. Wie viele Cousins hat Alices Schwester?“
Mit der Einführung von Modellen wie o1 von OpenAI (erschienen am 12.09.2024 in einer Vorabversion) und ähnlichen künftigen Modellen ist jedoch eine Verbesserung in der Beantwortung solcher logischen Fragen zu beobachten. Diese fortschrittlicheren KI-Systeme zeigen bereits bemerkenswerte Entwicklungen in der logischen Schlussfolgerung und werden solche Probleme künftig besser lösen können.
Versuchen Sie gerne, diese Probleme zu lösen – die Lösungen finden Sie in den Quellen am Ende des Magazins.
4. KI für erste Entwürfe und Ideen nutzen:
KI kann helfen, erste Entwürfe zu erstellen, Ideen zu sammeln oder schnelle Analysen durchzuführen. Dieser Ansatz kann wertvolle Zeit sparen und einen Ausgangspunkt für ihre weiterführenden Arbeiten bieten.
5. KI für Aufgaben nutzen, die keine sensiblen Daten erfordern:
Indem Sie der KI keine sensiblen Daten zur Verfügung stellen, können Sie deren Fähigkeiten nutzen, ohne ihre Unternehmensdaten aufs Spiel zu setzen. Beispielsweise könnte KI Ihnen helfen, Schulungsvideos zu erstellen, indem sie die Stimme für die Schulung liefert, Sie bei der Nutzung eines komplexen Werkzeugs unterstützt oder allgemeine Recherchen zu öffentlich zugänglichen Themen durchführt.
6. Über KI-Technologie informiert bleiben:
Bleiben sie auf dem Laufenden. KI-Technologien entwickeln sich mit teils hohem Tempo weiter. Neue Funktionen können neue Anwendungsfälle eröffnen oder dazu beitragen, dass sie ihre Aufgaben effizienter erledigen können.
7. Sprechen Sie offen über Ihren Einsatz von KI:
Wie erwähnt, kann KI sehr selbstbewusst falsche Informationen vermitteln, was es schwieriger macht, diese zu erkennen – selbst nach sorgfältiger Überprüfung. Sie können das Risiko verringern, dass KI Sie beispielsweise durch einen übersehenen Logikfehler in ein schlechtes Licht rückt. Teilen Sie hierzu Ihrem Arbeitgeber oder Kunden mit, dass Sie eine KI einsetzen möchten, um Zeit zu sparen. Auch wenn Sie auf Widerstand stoßen könnten, ist es wahrscheinlicher, dass die Aussicht auf schnellere und kostengünstigere Ergebnisse auf Zustimmung stößt.
Die Integration fortschrittlicher KI-Technologien verändert unsere Arbeitswelt. KI-Assistenten helfen vielen von uns als eine Art digitaler Kollege, der über ein riesiges Wissen verfügt und Informationen schnell verarbeiten und analysieren kann. Obwohl es erhebliche Produktivitätsvorteile gibt, müssen auch Themen wie Datenschutz, Sicherheit, ethische Ausrichtung und die Genauigkeit von KI-generierten Informationen berücksichtigt werden.
Um diese Herausforderungen zu meistern, sollten die von KI bereitgestellten Informationen überprüft, die Einschränkungen der KI beachtet und sensible Daten geschützt werden. Durch diese Maßnahmen können Sie Ihre Produktivität auf eine verantwortungsvollere Weise steigern.
AvePoint (n.d.). Artificial Intelligence and Information Management. Version 4, https://cdn.avepoint.com/pdfs/en/shifthappens/AI-IM-Whitepaper-v4.pdf [abgerufen am 09.07.2024].
Berrios, G. E. (1998). Confabulations: a conceptual history. J Hist Neurosci, 7(3), pp. 225-41.
Nezhurina, M., Cipolina-Kun, L., Cherti M. & Jitsev, J. (2024). Alice in Wonderland: Simple Tasks Showing Complete Reasoning Breakdown in State-Of-the-Art Large Language Models. https://arxiv.org/html/2406.02061v1 [abgerufen am 09.07.2024].
· Lösung AIW: M+1
· Lösung AIW+ (Auszug aus dem Paper): “ Die Lösung des AIW+ erfordert das Betrachten der verschiedenen elterlichen Seiten, der Mutter und des Vaters, und das sorgfältige Berechnen der Anzahl der Cousins, wobei darauf geachtet wird, Alice und ihre Schwester abzuziehen und die Gesamtzahl der Cousins von beiden Seiten zu summieren. Zum Beispiel: auf der Seite der Mutter: 7 (insgesamt Neffen und Nichten) - 4 (Alice und ihre Schwestern) = 3 Cousins; auf der Seite des Vaters: 5 (insgesamt Neffen und Nichten) + 1 (eigener Sohn des Bruders des Vaters) - 4 (Alice und ihre Schwestern) = 2 Cousins; summiert man 3 + 2 = 5 Cousins, die Alice und jede ihrer Schwestern haben”
Ransbotham, S., Kiron, D., Candelon, F., Khodabandeh, S. & Chu, M. (2022). Achieving Individual — and Organizational — Value With AI. MIT Sloan Management Review, https://sloanreview.mit.edu/projects/achieving-individual-and-organizational-value-with-ai/ [abgerufen am 09.07.2024].
Statista (2023). Wofür wird ChatGPT in Ihrem Unternehmen genutzt? https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1401309/umfrage/chatgtp-nutzung-in-unternehmen/#:~:text=Umfrage%20zur%20Nutzung%20von%20ChatGPT%20in%20Unternehmen%202023&text=Rund%2021%2C9%20Prozent%20der,ChatGPT%20nicht%20im%20Unternehmen%20verwenden. [abgerufen am 09.07.2024].
Sussman, B. (2023). Why are so many organizations banning ChatGPT? BlackBerry, https://blogs.blackberry.com/en/2023/08/why-companies-ban-chatgpt-ai [abgerufen am 09.07.2024].