Recruiting-Prozess

Der Einfluss der Führungskraft im Recruiting-Prozess

Foto einer Frau im Interview | Recruiting-Prozess

- Tiba Magazin 2023 -

Interview mit Personalberaterin Esther Kindt

Esther-Lea Kindt

Bevor wir in die Themen eintauchen, würde ich dich bitten, dich und deine Rolle kurz vorzustellen. 

Esther-Lea Kindt: Die Tiba Personalberatung hat sich im Jahr 2023 strategisch neu aufgestellt. Wir bedienen nun nicht mehr nur den externen Markt als Premium Personalberatung und Talent Acquisition Partner, sondern kümmern uns als Inhouse Recruiting Center nun auch um sämtliche Rekrutierungs-Belange innerhalb der Tiba Unternehmensgruppe. Als Operations Managerin ist es meine Verantwortung, diesen Bereich neu aufzubauen und alle Prozesse aufzusetzen. Mein Fokus ist sowohl das interne als auch das externe Geschäft und das haben wir gemeinsam als Team innerhalb kürzester Zeit hervorragend gemeistert.  

Wie könnt ihr als Personalberatung sicherstellen, dass ihr genau die Person findet, die zur Unternehmenskultur und zum Team passt? 

Esther-Lea Kindt: Meiner Erfahrung nach sind es vor allem der intensive Austausch mit den Fachabteilungen und das tiefe Eintauchen in die Materie, die ein gutes Recruiting auszeichnen. Wir legen großen Wert darauf, dass wir mit unseren Kunden und unseren Fachabteilungen innerhalb der Tiba Gruppe eine intensive Beziehung und Partnerschaft aufbauen, um den Bedarf und den Menschen dahinter auch wirklich zu verstehen. Andersherum fordert der Kandidat, den wir ansprechen, umfassende Informationen zu der ausgeschriebenen Vakanz. Nur so können wir den richtigen Menschen finden, der wirklich zur Führungskraft, ins Team und zur Unternehmenskultur passt. Dabei spielt die Unternehmenskultur eine große Rolle. Daher schauen wir beispielsweise die weichen Faktoren an: Welche Werte hat das Unternehmen und werden diese auch wirklich gelebt? Wie ist das Menschenbild beziehungsweise wie wird auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingegangen? Aber auch die harten Faktoren, wie Home-Office-Regelungen, Bonus-Systeme oder Gehaltsstrukturen spielen eine Rolle. All diese Aspekte fließen in unsere Suche, ins Active Sourcing und beim Aufbau der Talent-Pools mit ein. Erst wenn wir die Unternehmenskultur und auch die Führungskraft beziehungsweise das Team kennengelernt und ein Gespür für die Bedürfnisse entwickelt haben, können wir einschätzen, ob die Person mit ihrem Charakter zum Team bzw. ins Unternehmen passt. Das bedeutet erst durch eine ganzheitliche Betrachtung führt unsere Suche, der Auftrag, zum Erfolg und dies impliziert die Bereitschaft der Führungskraft sich Zeit zu nehmen, denn eine hohe Anzahl an abgelehnten „Kandidaten“ zahlt nicht auf das „Employer-Branding-Konto“ des Unternehmens ein. Diese Risiken können im Vorfeld schon miniert werden. Durch klare Prozesse und eine klare Kommunikation im Hiring-Prozess! 

Du hast gerade schon die Führungskraft angesprochen. Welche Rolle spielt denn die Führungskraft im Recruiting-Prozess? 

Esther-Lea Kindt: Eine sehr wichtige tatsächlich. Das fängt schon bei den Erwartungen an. Die eierlegende Wollmilchsau ist zwar eine schöne Vorstellung, aber absolut unrealistisch. Hier wird unsere Beratungskompetenz gefragt und ist von größter Wichtigkeit, denn wir müssen auch mal die Empfehlung abgeben, jemanden kennenzulernen, der auf den ersten Blick vom Profil her vielleicht nicht der Perfect-Fit ist. Auch in Hinblick auf kurzfristige Absprünge spielen die Führungskräfte oftmals eine entscheidende Rolle. Wenn die Führungskräfte im ersten Kennenlerngespräch nicht gut vorbereitet sind oder zu hohe Anforderungen haben, springen die Kandidat:innen häufig ab. Interessanterweise informieren sich viele Führungskräfte nicht darüber, was die Gründe für den Absprung sind. Dabei steckt genau hier das größte Lernpotenzial: Wie können wir Menschen für uns begeistern? Welche Prozesse oder Strukturen müssen wir verändern, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden? Der Mensch wechselt in das Unternehmen, weil er die Sinnhaftigkeit in der Tätigkeit erkennen möchte und von den Menschen dort begeistert wird – dies zu vermitteln, ist vor allem Aufgabe der Führungskraft. Hier ist es wichtig für uns als Berater darauf aufmerksam zu machen und ein neues Bewusstsein zu schaffen und die Führungskraft dabei zu unterstützen.  

Führungskräfte spielen nicht nur eine zentrale Rolle im Recruiting-Prozess, sondern auch danach. Wie erlebst du das? 

Esther-Lea Kindt: Menschlich zu führen ist das A und O - Wenn du dich wirklich aufrichtig und authentisch für deine Mitarbeitenden, dein Team interessierst, dann erzeugst du Motivation. Wichtig ist, die Mitarbeitenden nicht zu überfordern und regelmäßige Räume zu schaffen für ehrliches Mitteilen. Denn Mittlerweile ist es fast „normal“ geworden, alle zwei oder drei Jahre den Job zu wechseln und das liegt oft an der Unzufriedenheit, die durch nicht wertschätzende Führung entsteht. An dieser Stelle möchte ich aber auch die Menschen motivieren zu „bleiben und gestalten“, Verantwortung zu übernehmen, beharrlich zu sein und bei der Führungskraft Raum für konstruktives Feedback einzufordern.  

Was sind aktuelle Trends im Recruiting-Bereich?  

Esther-Lea Kindt: Was wir sehr stark feststellen, ist, dass man nicht mehr nur wegen der Aufgaben oder dem Image bei einem Unternehmen anfängt, sondern sich für die Menschen dort entscheidet. Man entscheidet sich für einen Arbeitgeber, weil man Lust hat, mit den Kolleg:innen dort zusammenzuarbeiten, weil es ein gemeinsames Ziel gibt und die Arbeit eine Sinnhaftigkeit hat. Ich stelle in meinem täglichen Doing auch einen immer größer werdenden Fokus auf den Menschen fest. Ich nehme diese Entwicklung als etwas sehr Positives wahr: Dass wir akzeptieren, dass jeder Mensch einzigartig ist und individuelle Bedürfnisse hat, die es zu beachten gilt. Gerade im Active Sourcing wird das deutlich spürbar: Ich kann Menschen für das Unternehmen oder die Tätigkeit gewinnen, weil ich eine Sehnsucht in ihnen wecke und spüre, was denjenigen persönlich interessiert. Neben diesen Entwicklungen sehe ich auch den Einfluss der neuen Generation. Langwierige Recruiting Prozesse und verstaubte Strukturen wirken für die junge Generation einfach nicht mehr attraktiv. Die neue Generation fordert den Wandel im Recruiting-Prozess ein. Wenn ein Unternehmen sich danach nicht ausrichtet, verliert und verpasst das Unternehmen ganz viele Talente. Die Lösung ist ganz einfach: zuhören! Die richtigen Fragen stellen, über den Tellerrand hinausschauen, Räume für ehrlichen Austausch schaffen (Deep Dive) und akzeptieren, dass die Menschen beim Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis ihr gesamtes Menschsein mitbringen und einbringen wollen! 

Aktuell befinden wir uns in einer essenziellen Übergangsphase und müssen gemeinsam daran arbeiten, das Alte mit dem Neuen zu verbinden, im Innen wie im Außen. Diese ganzen gesellschaftlichen Entwicklungen beziehungsweise Gesetze müssen im Recruiting-Prozess mitbetrachtet werden. Aber ich persönlich freue mich darüber, dass so viel in Bewegung ist. Es macht Spaß, Teil dessen zu sein und die Talente zu finden, die den Wandel aktiv mitgestalten werden. Denn es sind die Menschen, die Transformation möglich machen. 

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke. Wir wünschen dir viel Erfolg beim weiteren Aufbau der Tiba Personalberatung.