Die Fragen, welche Möglichkeiten es in der Projektabwicklung gibt und was es dabei zu beachten gilt, sind besonders bei Großprojekten ein wesentlicher Faktor mit Auswirkungen auf den langfristigen Erfolgsgrad und die Konkurrenzfähigkeit der Großprojekte. Claudia Degner begleitet seit vielen Jahren große Projekte im Anlagenbau und gibt einen Überblick über die Chancen und Risiken.
Oftmals haben Unternehmen Projekte, die parallel an verschiedenen Standorten durchgeführt werden und das gleiche Projektziel an mehren Standorten haben. Beispielsweise eine neue Organisation, neue Prozesse oder neue technische Anforderungen. Nun stellt sich die Frage, wie das Projekt organisatorisch aufgebaut und gesteuert wird. Soll es in der Unternehmenszentrale geleitet werden oder doch jeder Standort seine eigene Organisation aufstellen? Was ist nun sinnvoll und kann das pauschal gesagt werden?
Abb. 1: Ausprägung der Vorgehensweisen bei der Projektabwicklung von Großprojekten (Eigene Darstellung)
Jeder Standort hat seine Eigenheiten, seine regionalen Besonderheiten, andere externe Gegebenheiten oder Zwänge und ganz besonders andere Menschen. Es sind genau die Menschen, die in der Projektrealisierung und der Nutzung des Projektzieles eine wesentliche Rolle spielen. Zudem herrscht ein oftmals mitschwebender Konflikt zwischen der Unternehmenszentrale und den jeweiligen Standorten. In der Zentrale wird die strategische Ausrichtung definiert und entschieden, es werden die Ziele hinsichtlich der Unternehmenskennzahlen aber auch der Prozesse und der Ressourcen dem gesamten Unternehmen vorgegeben. Die einzelnen (Produktions-) Standorte sorgen aber mit ihren Produktionsgütern für das „überleben“ der gesamten Unternehmung. In der Projektabwicklung spiegelt sich dies dann oft in der Frage nach „Wer ist der Projektauftraggeber?“.
Prinzipiell lassen sich bei standortübergreifenden Großprojekten drei Vorgehensweisen unterscheiden:
Vorgehen 1. Das Projekt kann gänzlich zentral geführt werden – von der Projektbeauftragung über die Planung bis zur Übergabe der Dokumentation zum Projektabschluss. Die Mitarbeiter an den Standorten werden dabei als Experten genutzt. Somit können in der Planung Standortspezifika beachtet werden.
Vorteil dieser Vorgehensweise ist die sparsame Nutzung von immer knapper werdenden Experten-Ressourcen, da sie punktuell und nur bei Bedarf aktiv werden müssen. Zudem kann so der Flottengedanke stringent umgesetzt werden. Damit wird sichergestellt, dass maximale Effizienz in den Einzelprojekten erzielt wird. Insbesondere bei der Planung (Planungsaufwand und -kosten), sowie im Vergabemanagement kann die Umsetzung des Flottengedankens zu Kosteneinsparungen und zielgerichteter Ressourcennutzung führen. Ebenso wird die Unternehmensstrategie und -philosophie auf die Standorte konsequenter übertragen. Gerade bei Organisationsprojekten ist diese Vorgehensweise sehr nützlich. Es ist aber wesentlich, dass die Umsetzung an den Standorten in diesem Fall zentral begleitet wird, um die Denkweise auch in den Standorten zu verwurzeln.
Einen Vergleich der Merkmale, sowie Vor- und Nachteile der vorgestellten Vorgehen finden Sie als Übersicht am Ende des Beitrages.
Vorgehen 2. Aufgabenteilung zwischen der Unternehmenszentrale und den Standorten: In diesem Fall verantwortet die Zentrale die Projektleitung – also die Erarbeitung des Konzeptes, Planung, das Vergabemanagement und den Projektabschluss – und die Detailplanung und die Realisierung werden dem Standort und einem dort installierten Projektteam mit einem Standort-Projektleiter überlassen. Die Projektbeauftragung sollte dementsprechend am Standort erfolgen. Das Steering-Committe wird in diesem Fall idealerweise aus dem Management der Zentrale und den jeweiligen Standorten besetzt, da dort wesentliche Entscheidungen im Projekt getroffen werden.
Dies hat den Vorteil, dass die Standort-Spezifika vollumfänglich Beachtung finden und sich die Standort-Mitarbeiter mit dem Projektergebnis besser identifizieren können. Zudem ist die Übergabe an den Standort nur ein formaler Prozess und muss im Doing nicht weiter begleitet werden.
Hinweis: Bei dieser Vorgehensweise bereitet das Schnittstellenmanagement mehr Aufwand, denn bereits in der Konzeptphase müssen die Schnittstellen definiert und die Bearbeitung dieser beschrieben und festgelegt werden. Dieser Aufwand ist nicht zu unterschätzen und sollte nicht „weggespart“ werden. Ein fehlendes Schnittstellenmanagement erzeugt Mehrkosten durch z.B. Doppelarbeit oder unbeachtete Planungsvoraussetzungen, die in der Realisierung zu Mehraufwendungen führt.
Vorgehen 3. Die vollständig dezentrale Führung der Großprojekte – die Übergabe der Projektleitung an die jeweiligen Standorte. Um hier den Flottengedanken und auch ein Lessons Learned sicher zu stellen, nimmt die Zentrale nur eine koordinierende Funktion ein. Dabei ist die Zentrale ein „Dienstleister“ für den Standort. Die Projektbeauftragung erfolgt durch den Auftraggeber am jeweiligen Standort, ebenso die Installierung des Steering-Committee. Im Wesentlichen werden die Prozesse zur Projektabwicklung durch Mitarbeiter der Zentrale sichergestellt. Dabei werden insbesondere kaufmännische Aspekte und die strategische Ausrichtung durch die Unternehmenszentrale verfolgt. Die komplette Projektabwicklung erfolgt durch den jeweiligen Standort mit den dort eingesetzten Experten.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Schnittstellen zwischen Unternehmenszentrale und den jeweiligen Standorten wesentlich verringert werden und die jeweiligen Standort-Spezifika bereits in der Konzipierung mit einfließen können. Zudem kann eine klare Trennung zwischen operativer und strategischer Projektarbeit definiert werden um so das Konkurrenzdenken zwischen Unternehmens-Zentrale und den jeweiligen Standorten zu minimieren.
Hinweis: In diesem Vorgehen werden viele Experten mit Projektarbeit gebunden. Gerade in Branchen, bei denen die Experten rar sind, sollte dieser Punkt kritisch betrachtet und eine optimale Nutzung dieser Ressourcen geplant werden. Beispielsweise könnte die Projektleitung oder einzelne Funktionen outgesourced werden.
Auch bei standortübergreifenden Projekten gibt es kein Schwarz oder Weiß in der Projektabwicklung und nie DIE „one fits all“ Lösung, die für alle Unternehmen oder alle Projekte zutrifft. Für welches Vorgehen sich ein Unternehmen entscheidet, sollte von den individuellen Rahmenbedingungen und der Unternehmenskultur abhängig gemacht werden. Wichtig ist dabei vor allem der Rückhalt durch die Mitarbeiter an den betroffenen Standorten. Denn letztendlich arbeiten Menschen in den Projekten und zum Schluss auch mit den Projektergebnissen. Bereits in der Projektkonzipierung werden dies erfahrene Projektmanager oder Projektleiter mit beachten.