Wenn viele Akteure an unterschiedlichsten Orten und mit eigenen Interessen gemeinsam ein Ziel verfolgen sollen, ist zunächst ein gemeinsames Verständnis für das Projekt gefragt. Und dies, ohne die Anforderungen der einzelnen Akteure außer Acht zu lassen. Mit einem workshopbasierten Beratungsansatz gelingt der Dialog zwischen den Akteuren. Dies zeigt ein Beispiel aus der Automobilindustrie.
Die Europäische Union harmonisiert in vielen Bereichen die gesetzlichen Regelungen – auch im Bereich Automobilindustrie. Hier sind alle OEM aufgefordert, bis zum September 2018 ein neues Typprüfverfahren für die Messung von Verbrauchswerten wie z.B. den CO2-Ausstoß und den Kraftstoffverbrauch einzuführen.
Die Aufgabe ist komplex, denn bis zum Stichtag hat jedes europäische Land seine eigenen Richtlinien. Zudem werden im „Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure“ (WLTP) – anders als bisher – Aerodynamik und Masse in Abhängigkeit der Fahrzeugausstattung berücksichtigt, um einen ausstattungsspezifischen CO2-Wert zu erhalten. Dies bedeutet für die Automobilhersteller einen enormen Aufwand, denn für das WLTP muss jede Ausstattungskonfiguration geprüft werden. Deshalb spielen die Importeure als Schnittstelle zu den lokalen Behörden und Kunden eine relevante Rolle.
Die Umstellung wird darüber hinaus durch die unterschiedliche Sachkenntnis bei den Importeuren und Stakeholdern erschwert. Da sich die Akteure zudem bislang nicht untereinander abstimmen mussten, ist es zunächst erforderlich, die Wirkung des eigenen Handelns auf die Prozesskette zu erarbeiten und zu verstehen.
Die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses für das Projekt und seine Komplexität ist deshalb entscheidend für den Projekterfolg. Nur so kann herausgefunden werden, in welchem Markt welcher Handlungsbedarf besteht und welche Unterstützung die Importeure brauchen, damit alle europäischen Automobilimporteure zum Stichtag „WLTP Ready“ sind. Tiba wurde damit beauftragt, den Status Quo bei den Importeuren zu erfassen, die offenen Themen zu erfassen, zu priorisieren die Lösung der Fragestellungen zu verfolgen und die Ergebnisse an die Importeure zurück zu senden.
Aufgrund der Vielzahl der Importeure und Stakeholder und ihren sehr unterschiedlichen Hintergründen wird ein workshopbasierter Beratungsansatz gewählt. Dieser ermöglicht eine intensive, moderierte Interaktion, bei der durch gezielte Fragen alle relevanten Punkte zur Sprache gebracht werden. Durch die Einbeziehung der Importeure und der offenen Diskussion wird eine hohe Identifikation bzw. Akzeptanz für das Projekt geschaffen. Unterstützt wird dies dadurch, dass die „Betroffenen“ aktiv an der Lösung mitarbeiten.
Das Projekt beginnt mit einer Status-Aufnahme: Die Importeure werden intensiv interviewt und zu ihren Anforderungen und Bedürfnisse befragt. Das Tiba Moderatorenteam erfasst die Lücke zu Readiness, dokumentiert die klärungsbedürftigen Themenfelder und analysiert sie anschließend systematisch.
Die Ergebnisse dieser Interviews werden in einem „Yellow Paper“, einem ersten Entwurf, zusammengefasst und anschließend in einem Synchronisationsworkshop mit dem OEM überarbeitet. Das Ergebnis: Für 8 Handlungsfelder lassen sich insgesamt über 70 „Readiness-Zielzustände“ beschreiben. Dies ist die „White Paper“ Grundlage für die Workshops mit den Importeuren. Regelmäßige Synchronisationsworkshops mit dem Kunden dienen dazu, das Workshop-Konzept abzustimmen, Importeur-Workshop Cluster zu bestimmen, Pilot-Workshops festzulegen und auszuwerten. Nach Abschluss der Importeur-Workshop-Reihe wird zudem das weitere Vorgehen mit den Erkenntnissen und offenen Punkten aus den Importeur-Workshops festgelegt.
Um die individuellen Anforderungen der 28 Märkte berücksichtigen zu können, wird ein adaptives Workshop-Vorgehen gewählt. Deshalb wird das Workshop-Konzept auf die Importeure zugeschnitten beziehungsweise angepasst. Dabei entstehen unterschiedliche Workshop-Teilnehmercluster je nach Größe der Märkte – ein Cluster beschreibt große Märkte wie Großbritannien, mit denen separate Workshops durchgeführt werden, in anderen Workshops werden mittlere bzw. kleinere Märkte mit ähnlichen Rahmenbedingungen zusammengefasst – beispielsweise Frankreich, Belgien und Luxemburg und schließlich ein Cluster für kleine Märkte wie z.B. Island oder Zypern und solche, die durch ein Unternehmen des OEM zum Thema WLTP betreut werden.
Gemeinsam mit Vertretern des Konzerns schafft das Tiba-Moderatoren Team ein gemeinsames Verständnis von WLTP Readiness zwischen OEM und Importeuren und erhebt den aktuellen Stand der Bedürfnisse der Importeure in Bezug auf WLTP. Als Grundlage der Importeur-Workshops dient das White Paper, das die bereits identifizierten 70 Zielzustände für insgesamt acht Handlungsfelder beschreibt, die durch die Einführung von WLTP beeinflusst werden. Dabei handelt es sich um die Felder Homologation, Händler, Volumen Planung, Produkt, dritte Parteien, Systeme, Kommunikation und Flotten.
Nach einer Pilotphase wurden die Zielerreichung und Wirksamkeit analysiert und auf Basis der Erkenntnisse die Workshops weiterentwickelt: Zur Sammlung von Fragen und um in informellen Gesprächen einen Eindruck von der Lage des Importeurs zu bekommen, wird die Workshop-Methode „Marktplatz“ gewählt. Dabei können die Importeure an verschiedenen Stationen mit einem OEM Vertreter die WLTP-Readiness-Zielzustände durchgehen. Fragen, Kommentare und Anliegen der Importeure werden vermittelt und durch Importeure, OEM-Vertreter und Moderatoren visualisiert. Im Anschluss werden die visualisierten Fragen im Plenum umfassend und importeurspezifisch beantwortet. Bleibt eine Frage offen, werden Aufgaben und Zuständigkeiten dokumentiert, um die Bearbeitung zu gewährleisten. Tiba unterstützt den Kunden als festes Mitglied des Projektteams WLTP bei der Nachverfolgung der Aufgabenbearbeitung. Dabei nimmt das Team die Rolle als Informationsdrehscheibe und single point of contact für die Importeure ein.
Neben der professionellen Rahmenmoderation durch das Tiba-Team nehmen die OEM-Vertreter aktive Rollen im Workshop ein. Dies ist wichtig, da so zu den Fragen der Importeure authentisch Stellung genommen werden kann. Im direkten Dialog entwickelt sich ein gegenseitiges Verständnis für die Schwierigkeiten und Herausforderungen der OEMs und Importeure – und damit die Basis für eine konstruktive Atmosphäre und eine lösungsorientierte Arbeitsweise.
Die workshopbasierte Herangehensweise rückt die Importeure und OEMs in den Fokus, stärkt ihre Beziehung und schafft ein gegenseitiges Verständnis. Und dies sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Handlungsfelder als auch hinsichtlich der verschiedenen Blickwinkel zwischen Importeuren und OEMs. Dadurch wird ein hohes Maß an Akzeptanz und Commitment für die formulierten Ziele (WLTP Readiness Zielzustände) und des eingeführten Berichtwesens über den Fortschritt des Importeurs zur WLTP Readiness erreicht. Die Importeure können ihre Anliegen und Bedürfnisse so direkt gegenüber den Vertretern der OEM und des Berichtswesens äußern.