Um anstehende Transformationen nachhaltig und wirkungsvoll angehen zu können, müssen Unternehmen bestehende Strukturen verändern und sich neu erfinden. Aber wie kann dies gelingen? Wir zeigen Ihnen fünf Wandlungen, die notwendig sind, um unternehmerische Resilienz zu erreichen.
Die Marktanforderungen, denen Unternehmer:innen aktuell begegnen, werden zunehmend komplexer. Insbesondere das Rekrutieren von hochqualifiziertem Personal und die Unplanbarkeit volatiler Märkte stellen viele Unternehmen vor eine Herausforderung. Und, vielleicht das Schlimmste von allem, die Ideen für entsprechende Steuerungsmaßnahmen gehen langsam aus.
Ein entscheidender Grund dafür ist, dass die allermeisten heute anzutreffenden Managementansätze und Paradigmen noch immer auf den von Frederick Winslow Taylor im Jahr 1911 veröffentlichten Ideen basieren („The Principles of Scientific Management“).
Dass der Taylorismus mehr als 100 Jahre später, in einer Welt mit gesättigten Märkten, disruptiven Technologiesprüngen und in den Zeiten der Generationen Y und Z an seine Grenzen stößt, verwundert nicht. Die Optimierung des Bestehenden ist mittlerweile vielerorts ein Kampf gegen Windmühlen. Statt einer Behandlung von Symptomen bedarf es daher einer Justierung an der DNA der Organisation. Es gilt, die bestehenden Ansätze und Paradigmen fundamental zu hinterfragen und eine echte Transformation zu beginnen.
In dieser volatilen und komplexen Welt müssen sich Organisationen immer wieder neu erfinden und sich Ihrer Umwelt anpassen können - egal ob technisch, ökonomisch, ökologisch oder gesellschaftlich. Sie brauchen daher keine neuen Verfahrens- und Arbeitsanweisungen, sondern grundlegende Prinzipien und Muster. Relevant sind daher Fähigkeiten der zweiten Ordnung. Die kontinuierliche Arbeit am System ist heute ebenso elementar wie die Wertschöpfung im System.
Für anstehende Transformations-Bewegungen benötigen wir daher ein exploratives Vorgehen. Als Inspiration können die folgenden Wandlungen dienen.
Die heute in den allermeisten Fällen anzutreffenden Organisationsstrukturen unterscheiden zwischen einer Führungs- bzw. Management-Ebene und einer Mitarbeiterebene. Die gedankliche Basis dieser Unterscheidung geht, wie oben bereits beschrieben, auf Taylor zurück.
Taylor schuf ein Konzept, das in einem ungesättigten Markt mit geringer Produktvielfalt durch standardisierte Prozesse zu enormen Produktivitätssteigerungen führte. Den Fließbandarbeitenden sollte dabei das Denken abgenommen werden, da individuelle Lösungen den Gedanken der Effizienzsteigerung durch immer gleiche Arbeitsschritte eher im Wege standen. Zugleich war diese Entkoppelung von Denken und Handeln eine Chance für die weniger gebildeten Arbeitenden.
Führung sollte heute jedoch radikal anders, mit Begriffen wie Begleitung, Coaching, Empowerment und Befähigung, gedacht werden. „Command and Control“ erscheint vielerorts als antiquiert.
In unserer Zeit benötigt die Organisation deutlich mehr Mitdenker:innen, und der/die Mitarbeitende darf nicht mehr lediglich als ausführende Ressource betrachtet werden. Vielfach wird von der Schwarmintelligenz des Unternehmens gesprochen.
Nur durch Beteiligung aller Mitarbeitenden gelingt die essenzielle Reaktionsgeschwindigkeit bzw. Innovationsfähigkeit, sich immer wieder als Organisation neu zu erfinden.
Ziel von Führung ist in diesem Kontext, die Rahmenbedingungen zur erfüllenden Gestaltung der Arbeitswelt zu schaffen.
Auch die Mitarbeitenden selbst sind nicht länger damit zufrieden, nur ausführendes Organ zu sein. Sie entscheiden sich zunehmend für die Mitarbeit in Unternehmen, in denen sie Ihre Ideen und Kreativität einbringen können und das Gefühl haben, wirklich gehört zu werden.
In einer Studie der Tiba Managementberatung (2021) konnte diese These empirisch bestätigt werden: Gerade die Angehörigen der Generation Z betrachten Purpose als wichtiges Kriterium für die Auswahl des Arbeitgebers und möchten den Sinn der eigenen Arbeit erkennen und von den Werten der Organisation überzeugt werden. Unternehmen, die hier mit entsprechenden Führungskonzepten reagieren, werden sich vor allem in Zukunft einen echten
Bildlich manifestiert wird die Unterscheidung zwischen denkender Managementebene und ausführender Mitarbeiterebene in den Organigrammen der allermeisten Unternehmen. Oben gibt es wenige Entscheider:innen - unten die vielen Umsetzer:innen. Die Form der Pyramide ist eine logische Konsequenz dessen.
Innerhalb der Pyramide werden, der Idee der effizienten Standardisierung folgend, sehr häufig homogene Abteilungen und Teams gebildet. Die Teams heißen dann häufig ihrer Funktion folgend: Einkauf, Arbeitsvorbereitung, Qualitätsmanagement. Das heute so oft beklagte Silodenken in größeren Organisationen ist eine der Folgen aus diesem funktional-orientierten Aufbau.
Ein weiteres Resultat sind lange Entscheidungsprozesse. Diese ergeben sich, da Entscheidungsbedarfe häufig nicht nah an den Entscheider:innen entstehen, sondern „unten“ in der Pyramide - dort besteht der engste Kontakt zum Kunden. Der Entscheidungsprozess zieht sich so in die Länge, und die Nähe zur eigentlichen Problemstellung nimmt immer weiter ab. Auch die Identifikation mit dem Unternehmen leidet. Die Mitarbeitenden, als kleines Kästchen des Organigramms, erkennen kaum noch ihren Beitrag am Gesamtergebnis.Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Dem gegenüber steht heute der Trend des Empowerments. Voraussetzung dafür ist das Erleben von Kompetenz, Bedeutsamkeit, Selbstbestimmung und Einfluss während der Arbeit (vgl. Spreitzer 1995). Diese Aspekte sind aber in pyramidal organisierten Organisationen kaum realisierbar. Daher geht aktuell der klare Trend verstärkt zu funktional integrierten Teams in Anlehnung an den Aufbau von Kleinunternehmen.
Ein Beispiel
Ein 8-köpfiges Team betreut zusammen einen Kunden und teilt sich die Rollen Kundenbetreuung, Einkauf, Controlling, Entwicklung, Qualität, etc. untereinander auf. Durch die Fokussierung auf Rollen statt Stellen entsteht mehr Flexibilität in der Verteilung von Verantwortung und Führungsaufgaben. Denn Rollen können wesentlich schneller, basierend auf den Talenten und Vorlieben im Team, verteilt und angepasst werden. In solchen Teams wird interdisziplinär und interfunktional gedacht, nah am Kunden entschieden und es gibt eine hohe Identifikation mit dem eigenen Mini-Unternehmen. So werden unternehmerisches Handeln und Denken gefördert.
Auch die Entwicklung neuer Produkte und Angebote erhält so eine neue Dynamik. Entstehen neue Ideen, kann ein neues Team sehr schnell formiert werden, ohne dass entsprechende Stellen in einer Vielzahl von Abteilungen geschaffen werden müssen.
Gleiches gilt für interne Bedarfe und Dienstleistungen. Wird ein Bedarf zur Zentralisierung entdeckt, so bildet sich ein Team, das den anderen Teams interne Leistungen anbietet. Eine Art interner Marktplatz entsteht. Aus Zentralfunktionen werden echte Business Partner, mit klarem Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens.
Aus der Pyramide wird so in einigen Fällen ein Netzwerk aus vielen, relativ autonomen Teams. Auf diese Art kann die Stärke eines Konzerns mit der Geschwindigkeit und Flexibilität eines Start-Ups optimal kombiniert werden.
Wenn vernetzte Teams maximal eigenverantwortlich handeln und mit möglichst wenig Führung durch eine übergeordnete Ebene auskommen sollen, benötigen sie dafür entsprechende Werkzeuge bzw. Prinzipien.
Abb. 1: Methodischer Werkzeugkasten (Eigene Darstellung)
Der Grundsatz, dass konstruktive Freiheiten einen klaren Rahmen benötigen, ist den meisten Organisationen bewusst. In der Konsequenz des Konzeptes benötigen Teams, die sich in einem erweiterten Rahmen selbst organisieren sollen und wollen, einen entsprechenden methodischen Werkzeugkasten, der auf wenigen Prinzipien des Miteinanders aufgebaut ist.
Der Trend ist somit klar: Statt sich auf das zufällige Funktionieren der Zusammenarbeit zu verlassen oder auf einzelne, talentierte Führungspersonen zu hoffen, müssen Teams systematisch und methodisch in die Lage versetzt werden, professionell, konstruktiv und kreativ zusammenzuarbeiten. Der Reflektion dieser Zusammenarbeit muss dabei ein hoher Stellenwert und der entsprechende Raum eingeräumt werden.
Sind Pläne bzw. Planungen in dem eingangs beschriebenen hochvolatilen und komplexen Umfeld für Organisationen noch zeitgemäß?
Diese Frage beschäftigt Unternehmen zunehmend. In deren hochkomplexen Systemen stößt Planung auf Basis monokausaler Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten vielerorts an seine Grenzen. Pläne per se als anachronistisch zu betrachten, wäre sicherlich übertrieben. Ein genauer und differenzierter Blick auf die eigene Situation ist jedoch empfehlenswert.
Wenn sich die Welt immer schneller verändert, liegt es auf der Hand, den Planungshorizont zu verkürzen. Heute schon Energie vom operativen Geschäft abzuziehen, um zu planen, wie die Welt in drei Jahren aussehen könnte, scheint nicht zuletzt seit Corona eher fraglich.
Als Zweites ist zu hinterfragen, in welchem Detail die Planungen erfolgen müssen. Ist es zielführend, heute schon zu planen, wie der Umsatz eines Produktes in drei Jahren aussehen könnte? Den meisten Beteiligten ist klar, dass die getroffenen Annahmen schon zur Fertigstellung des Plans nicht mehr dem aktuellen Wissensstand entsprechen werden. Auch hier liegt die Antwort auf der Hand: Die Planungstiefe sollte reduziert werden und die gewonnene Zeit sollte lieber aufgewendet werden, um gegenwärtige Chancen zu nutzen oder mit aktuellen Risiken umzugehen, statt hypothetische Zukunftsszenarien zu verhandeln.
Planungen werden auch in Zukunft Sinn erzeugen in Hinblick auf die Ausrichtung und Synchronisierung des Unternehmens. Als Basis zur Erfolgsmessung allerdings nicht mehr. In einer Welt, in der Pläne immer schneller von der Realität überholt werden, kann es nicht zielführend sein, den Erfolg von Teams und Unternehmen anhand eines Plan-Ist-Vergleichs zu bewerten.
Insbesondere in der Corona-Pandemie wurde sehr deutlich: Der wirkliche Erfolg lässt sich so nicht ablesen, sondern eher im Vergleich zum Wettbewerb oder Gesamtmarkt erkennen. Ein Quervergleich oder Benchmarking bzw. ein Ist-Ist-Vergleich ist daher heute in vielen Fällen die bessere Wahl. Das gilt gleichfalls auch innerhalb des Unternehmens. Aus dem Vergleich der Leistungen zwischen Teams kann in der Regel mehr Erkenntnis gewonnen werden, als aus dem Abgleich mit überholten Plan-Annahmen.
Schlussendlich geht es auch um eine Frage der Haltung. Habe ich den Mut, Dinge auszuprobieren, schnelles Feedback zu erfahren und daraus zu lernen? Nutze ich Rückschläge und Erfahrungen, um mich iterativ zu verbessern, während woanders noch geplant wird?
Der Trend ist klar. Einer komplexen, sich schnell verändernden Welt kann mit detaillierter Planung nur bedingt begegnet werden. Nur aus dem Mut zur schnellen Reaktion, zum Experiment, zum iterativen Vorgehen und zur aufmerksamen Aufnahme von Feedback, erwächst ein echter Wettbewerbsvorteil.
Völlig überholt sind Ansätze, die die Menschen in Unternehmen als (Human)Ressourcen oder (Human)Kapital betrachten. Menschen sind unterschiedlich, haben Talente und Vorlieben, aber auch Schwächen. Sie formen das Unternehmen und entwickeln so - im Gegensatz zu Ressourcen und Kapital - eine Haltung und Kultur.
„Der Mensch ist von Natur aus leistungsbereit und von innen motiviert“. Diese Grundannahme, die auf der Theory Y des MIT-Professors Douglas McGregor beruht, ist elementar. Leider sind heute viele Unternehmen so aufgebaut, dass es scheint, als würden sie eher vom Gegenteil ausgehen.
Entscheidend ist jedoch auch, dass McGregor damit das Wesen des Menschen und nicht dessen Verhalten meinte. Dieses ist nämlich geprägt durch die Interaktion mit seinem Umfeld und kann deutlich weniger positiv sein. So könnten Mitarbeitende eher unmotiviert und unkreativ erscheinen. Dass sie sich so verhalten, heißt aber eben nicht, dass sie es sind!
Es ist also zu hinterfragen, ob die Rahmenbedingungen im Unternehmen wirklich ein Umfeld schaffen, das das Beste aus den Mitarbeitenden herausholt.
So sollte Performance noch stärker am erbrachten Kundennutzen gemessen werden (egal ob intern oder extern). Wirklichen Kundennutzen kann allerdings kaum jemand allein und isoliert erbringen. Das gilt erst recht in Zeiten, in denen die Wertschöpfung immer komplexer wird.
Für eine Beurteilung und Incentivierung sollten daher ausschließlich die Ergebnisse der Teams relevant sein. Zudem sollten die Teams in den Recruiting- und Onboarding-Prozess eng eingebunden sein, oder besser noch: diesen komplett verantworten. So ist sichergestellt, dass neue Mitarbeitende das fehlende Puzzlestück im bestehenden Team sind. Die Teams sollten die neuen Mitarbeitenden als ganzes Paket mit allen Talenten und Vorlieben sehen und ggf. von der möglichen Umverteilung von Rollen im Team Gebrauch machen, um sich optimal aufzustellen und alle Talente bestmöglich zu nutzen.
Abb. 2: Die fünf Wandlungen im Überblick (Eigene Darstellung)
Viele Unternehmen stehen vor einer weitreichenden Entscheidung. Eine Intensivierung bzw. Verschärfung der bisher üblichen Ansätze macht wenig Hoffnung. Ein Paradigmenwechsel und eine tiefgehende Transformation stehen an.
Unsere Empfehlungen für Ihren Weg:
Spreitzer, G. M. (1995). Psychological Empowerment in the workplace: Dimensions, measurement, and validation. Academy of Management Journal, 38, 1442-1465
Taylor, F. W. (1911). The principles of scientific management. New York: Harper & Brothers.
Tiba Managementberatung GmbH (Hrsg.) & Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e.V. (2021). Transformationsbedarf für Unternehmen aus Sicht der Generation Z. München.