Veränderungen lassen sich nur dann erfolgreich umsetzen, wenn sie von Mitarbeitern verstanden und mitgetragen werden. Was sollten Top Management und die Führungskräfte berücksichtigen, um die Akzeptanz für den Change zu unterstützen? Wir zeigen Ihnen anhand eines Praxisbeispiels, wie ein Change Management Office dieser Herausforderung begegnen kann und wie Change-Begleitung im Wandel aussehen kann.
In einem sich dynamisch wandelnden Umfeld immer besser zu werden, um den Markt- und Kundenanforderungen nicht nur vorausschauend gerecht zu werden, sondern abgeleitet von der eigenen Vision für die „besonderen Momente im Leben seiner Kunden und Mitarbeiter zu sorgen“ und die „zeitlosen Werte“ des Unternehmens zu erhalten – dies ist das Ziel eines großen europäischen Direktvertriebsunternehmens. Werte wie Unabhängigkeit, Vertrauen und Nähe zum Kunden sind dabei ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur und haben aus strategischer Sicht eine wichtige Bedeutung für den Erfolg einer notwendig gewordenen Veränderung.
Der Start für die Veränderungen ist sehr bewusst gesetzt. Dem Top Management ist bereits seit einiger Zeit bewusst, dass die Unternehmensorganisation grundlegend überdacht, die Rahmenbedingungen und Geschäftsprozesse bezogen auf die Nachhaltigkeit und Wertschöpfung angepasst und gestärkt werden müssen, damit das Unternehmen am Markt langfristig mit Erfolg bestehen bleibt. Zudem ist dem Management auch am Aufbau und Stärkung der individuellen Change-Intelligenz gelegen, um das Unternehmen in einem fließenden Veränderungszustand zu halten.
Nach einigen Anläufen, den Wandel von innen heraus zu bewältigen, beschließt das Management, gezielt eine externe Change-Begleitung hinzuzuziehen. Zunächst sollen ein unternehmensweites Verständnis und Bewusstsein für die geplanten Veränderungen implementiert werden. Als Change-Pilot dient die Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen für die Mitarbeiter – eine der Maßnahmen des gesamten, längerfristigen Veränderungsvorhabens, damit auch weiterhin alle Kundengruppen bedarfsgerecht bedient werden können.
Die mit der Einführung der neuen Geschäftsprozesse und nachfolgenden Reorganisation verbundene Veränderung ist eine transformationale Veränderung, die an der tiefergehenden Struktur der Organisation ansetzt und ein neues Denken und Lernen sowie einen kontinuierlichen Wandel über eine längere Periode erfordert. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist, dass jeder einzelne Mitarbeiter sich dabei als Teil des Wandels versteht. Mit allen Konsequenzen: Er muss sich anders verhalten, anders denken und handeln – und dies mit allen Verhaltensaspekten, wie Einstellungen, Normen, Werten, Wahrnehmungen und Überzeugungen.
Im Idealfall beginnt die Change Management Integration mit der Projekt Initiierung. Doch in sehr vielen Fällen erfolgt der Einstieg von Change Management (CM) jedoch erst in den späteren Projektphasen eines bereits laufenden Projektes, so auch in diesem Praxisbeispiel da erst im Laufe des Change-Prozesses externe Dienstleister hinzugezogen werden. Im Rahmen des Change Management Ansatzes werden nach einer stark verkürzten Initiierung die nachfolgenden vier Phasen geplant: Change Management Ramp-Up, Planung, Befähigung und Verankerung. Da der Veränderungsprozess bereits angelaufen ist, werden die Maßnahmen für die Befähigung und Verankerung zeitnah gestartet.
Abb. 1: Planung und Phasen der Change-Begleitung (Eigene Darstellung)
Damit ein dauerhafter Entwicklungserfolg auch nach dem Pilot-Projekt sichergestellt werden kann, sollen die Fortschritte (Performance) auf den drei Ebenen Individuum, Unternehmen, Change Management skaliert werden (siehe Abb. 2).
Da diese Veränderung alle Hierarchiestufen und Positionen im Unternehmen betrifft, ist ein strukturierter und gleichzeitig flexibler Change-Fahrplan mit individuellen Anpassungen wichtig. Nur so kann auf die Bedürfnisse der betroffenen Gruppen explizit eingegangen werden. Als Grundgerüst für den Change-Ansatz wird die rollenbasierte Prosci®-Methodik gewählt, die bei dem ganzheitlichen Projektablauf mit verschiedenen Change-Methoden und -Tools je nach individuellem Bedarf kombiniert wird. Konkret handelt es sich dabei um ADKAR®, Change-Impact Analyse, Change Management-Workshops, Training und Coaching für Führungskräfte und Mitarbeiter, Kommunikationskonzept, Kollegiale Beratung, Change Leadership und Empathie sowie „Walk and Talk“.
Wie gut auch die Tools und Methoden sein mögen, ohne aktiven und wirkungsvollen Executive Sponsorship ist die Veränderung nur sehr mühsam oder gar nicht möglich. Aus diesem Grund werden zunächst Change Vision-Workshops mit dem Top Management und obersten Regionalleitern durchgeführt, um das Bewusstsein über Veränderung zu schaffen, strategische Change-Ziele zu definieren sowie die Analyse und Entwicklung der Change-Fähigkeit voranzutreiben. So wird das Unternehmen auf „Change denken“ fokussiert.
Bei einer tiefgreifenden Veränderung geht es auch darum, dass die unternehmensweite Change-Fähigkeit und -Kompetenz etabliert werden, sich weiterentwickeln und nachhaltig bleiben. Um dies auch über die Dauer der Implementierung des Arbeitszeitenmodells (Pilot) hinaus sicher zu stellen, wird ein „Center of Change Management Competence“ in Form eines Change Management Office (CMO) aufgebaut.
Was sind die eigentlichen Rollen und Verantwortlichkeiten eines CMO? Was umfasst den Kompetenzbereich eines CMO und was ist außerhalb dessen Kompetenz? Auf diese Fragen gibt es keine Standard- oder einzig richtige Antwort. Der Erfolgsschlüssel liegt darin, dass die Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten sowie Art der Zusammenarbeit klar definiert und gelebt werden. Der Erfolg hängt jedoch wesentlich von der Akzeptanz und Würdigung im Unternehmen ab. Und nicht zuletzt von dem Commitment und Verständnis des CMO-Teams für das „Warum, Was, Wie“ etwas zu tun und zu leisten ist.
Im nächsten Schritt wird gemeinsam mit dem Kunden festgelegt, ob das CMO zentralisiert oder dezentralisiert auftreten soll. Dabei beeinflussen folgende Faktoren die Entscheidung: Kultur des Unternehmens, geografische Verteilung der Organisation, Bedarf an Standardisierung / Flexibilität, aktuelle Unterschiede in der Change Reife der Organisation und Standort der Mitglieder des Change Management-Teams.
In diesem konkreten Fall wird das CMO zentral platziert, um ein Interagieren mit den Bereichen Prozess- und Projektportfoliomanagement-Organisation zu ermöglichen. So werden unternehmensübergreifende Reichweite, Zugang zu laufenden Projekten und Nähe zu Führungskräften erreicht und damit die Anwendung und die Glaubwürdigkeit des Change Managements erhöht. Zudem erhält das CMO-Team durch ständige Interaktion mit Mitarbeitern – im Rahmen von Workshops, persönlichem Kontakt, Motivationsgesprächen, täglichen Austausch in den Niederlassungen – einen guten Einblick in die laufende Veränderung, die als Echtzeitfeedback das Realitätsbild zeigen. Diese Feedbacks sind notwendig, um den Ablauf bei Bedarf anzupassen. Denn schließlich weiß niemand besser, was zu verbessern ist, als die Menschen, die diese Arbeit erledigen. Deshalb ist es geplant, auch künftig viel Wert auf die Weiterführung der persönlichen Interaktion zu legen.
Fazit: Das Top Management und die gesamte Führungsmannschaft muss hinter dem Wandelprozess stehen und sowohl als Vorbild als auch als Change Leader agieren.
Natürlich gibt es auch in den ersten Monaten seit dem Anlauf der Change Maßnahmen noch gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunftsentwicklung: Welchen Spielraum hat der Einzelne im Wandel für neue Verhaltensmuster? Wie kann man im Dialog offen und auf Augenhöhe miteinander arbeiten, kommunizieren und neue Wege ausprobieren? Wie sieht letztendlich das Gesamtbild der Zukunft dieses Unternehmens aus? Das CMO-Team wird weiterhin den Prozess begleiten und lenken. Es sollte jedem Mitarbeiter und somit jeder Führungskraft ausreichend Zeit gegeben werden, sich in Richtung neue Zukunft zu entwickeln. Denn eine nachhaltige Veränderung hat nur dann Wirkung, wenn sich alle auf die Reise begeben. Ist dies nicht der Fall, wird sich die Veränderung nur ganz mühsam vollziehen und mittelfristig nicht erfolgreich passieren.
Rückblickend können wir aus Change Begleiter-Sicht sagen, dass gemeinsam mit den internen CMO-Teams, Führungskräften, Mitarbeitern, das erste gemeinsame Ziel „Bewusstsein für die Veränderung schaffen und Change als langjähriger Prozess im Unternehmen akzeptieren“ auch innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums erreicht werden konnte. Die Retrospektive der ersten Projektphase zeigt die ersten Erfolge bei der Widerstandsreduzierung sowie beim wachsenden Commitment der Führungskräfte, sich als Coaches des Wandels zu sehen und so das Engagement der Mitarbeiter zu erhöhen.