Digitale Kommunikation

Chancen und Risiken der digitalen Kommunikation

Foto eines Mannes beim Arbeiten am Laptop | Digitale Kommunikation

- Tiba Magazin 2022 -

Mit Beginn der Covid-19-Pandemie beschleunigte sich die Digitalisierung der Arbeitswelt in nie dagewesenem Maße. Was Anfang 2019 nur ein Thema für einige Technologieunternehmen war, wurde auf einmal Wirklichkeit für einen Großteil der Berufstätigen. Man hat sich daran gewöhnt, per Video miteinander zu konferieren, denn was im Lockdown Notwendigkeit war, ist nun Normalität geworden. Inzwischen gibt es einige empirische Untersuchungen über die Vor- und Nachteile des digitalen Kommunizierens. Dieser Artikel zeigt daher auf, welche Chancen und Risiken sich durch die digitale Kommunikation – insbesondere Videokonferenzen - ergeben und wie Sie sich diese im Arbeitskontext zunutze machen können.

Niklas A. Stein

Was bedeutet digitale Kommunikation?

Wenn wir von digitaler Kommunikation sprechen, kann das Vieles bedeuten. Von den klassischen „Black Stories“ - Spielen (man darf nur mit ja/nein antworten) bis hin zu virtuellen Welten mit angepassten Avataren, wie in „Second Life“, gibt es eine große Bandbreite der digitalen Kommunikation. Dieser Tiba Magazin Artikel behandelt ausschließlich die Kommunikation im Arbeitskontext, digitale Kommunikation heißt hier: Videokonferenzen und Videotelefonie.

Kreativität und Entscheidungsfindung in der digitalen Kommunikation

Die Möglichkeit, virtuell zu kommunizieren, war für viele Unternehmen während der Covid-19-Pandemie oftmals der einzige Weg, das System am Laufen zu halten. In dieser Zeit konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass das Homeoffice (Ong, Moors, Sivarama, 2014) und Videokonferenzen (O’Brien, Yazdani Aliabadi, 2020) eine nicht zu verachtende, energiesparende Wirkung haben. Mittlerweile hat sich in den meisten Unternehmen eine hybride Lösung etabliert, in welcher Homeoffice und Bürotage sich abwechseln. Infolgedessen stellt sich häufig die Frage: Welche Form der Kommunikation ist für das angestrebte Treffen am effektivsten? Wie können wir die besten Resultate in unseren Meetings erzielen?

Zuallererst müssen wir hierbei entscheiden, was das Ziel des Termins ist. Soll eine Lösung für ein komplexes Problem gefunden werden, dann bedarf dies vermutlich eines längeren und kreativen Prozesses. Steht in Frage, welche von zwei Optionen umgesetzt werden soll, dann ist eine klare rationale Entscheidung vonnöten. Fragt man nun die Beteiligten nach der effektivsten Meeting-Art, so wird dies meist aus dem Bauch heraus und aufgrund vieler persönlicher Faktoren entschieden.

Doch was ist nun die beste Lösung?

Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Studie von Brucks & Levav. Die Forscher bewiesen, dass wir Entscheidungen am besten in Videokonferenzen treffen (Brucks, Levav, 2022). Und dafür gibt es einige gute Gründe: Die Teilnehmenden konzentrieren sich in der Regel auf die Fakten am Bildschirm, jegliche andere Form der Kommunikation wird in der Regel ausgeblendet. Gleichzeitig führt die Anonymität des Homeoffice zu einer Sicherheit, die die Vertretung des eigenen Standpunktes erleichtert.

Kreativität hingegen profitiert sehr stark von der persönlichen Interaktion, des wechselnden Umfeldes und der körperlichen Mobilität (Murali, Händel, 2022). Hierbei ist also ein persönliches Treffen in einem anregenden Umfeld die bessere Lösung (Brucks, Levav, 2022).

Die Studie zeigt somit eindrücklich, dass Videokonferenzen definitiv ihre Berechtigung haben und insbesondere im Kontext von Entscheidungsfindungen sinnvoll sind. Wenn es allerdings um Kreativität geht, ist es empfehlenswert, auf die altbewährten Face-to-Face Meetings zurückzugreifen.

Die kulturellen und psychologischen Effekte der digitalen Kommunikation

Durch Videokonferenzen leidet aber unter Umständen nicht nur die Kreativität. Sie können bei den Beteiligten zu einer insgesamt höheren psychischen Belastung führen. Dieses Phänomen wird landläufig als „Zoom Fatigue“ bezeichnet und entsteht durch ein übermäßiges Maß an Videokonferenzen.

Der erste belastende psychologische Faktor ist hier die kognitive Belastung durch die zusätzlich transportierten Informationen: Während im persönlichen Gespräch der Blick nur selten direkt auf das Gesicht des Sprechers gerichtet ist (Hanna, Brennan, 2007), ist dies in der Videokonferenz Normalzustand. Gleichzeitig ist das scheinbar ständige Angesehen-werden eine zusätzliche Belastung (Takac, Collett, Blom, Conduit, Rehm, Foe, 2019). Denn dabei wird die Menge der nonverbalen Informationen mit der Anzahl der Teilnehmenden potenziert (Reeves, Lang, Kim, Tatar, 1999). Des Weiteren neigen Menschen in Videokonferenzen dazu, lauter zu sprechen (Croes, Antheunis, Schouten, Krahmer, 2019). Diese Menge der Informationen lässt sich schwer filtern.

Ein möglicher Lösungsweg könnte hier eine Moderation sowie eine Veränderung der Gesprächskultur hin zu selektiver Videonutzung sein. Hierbei ist es aber wiederum wichtig zu erwähnen, dass reine Telefonkonferenzen deutlich unter der Menge der übertragenen Kommunikation leiden und ein Gespräch in größeren Gruppen schwer zu bewältigen ist.

Der zweite belastende Faktor ist die ständige Selbstbeobachtung durch die Darstellung des eigenen Videos. Zwar lässt sich dies softwareseitig häufig deaktivieren, es ist jedoch Standard, dass das eigene Video auf dem Bildschirm mit angezeigt wird. Dies führt zu ständiger, belastender Selbstkorrektur (Fejfar, Hoyle, 2000). Dies wird noch erhöht durch die scheinbare Nähe des Gegenübers. Diese Nähe unterschreitet die kulturell bedingte körperliche „Wohlfühl-Distanz“, die ansonsten im geschäftlichen Bereich natürlicherweise eingehalten wird. Durch die suggerierte Entfernung bei Videokonferenzen befindet sich das Gegenüber jedoch, nach dem Modell der Distanzzonen von Edward Hall, in der intimen/familiären Zone (Hall, Twitchell, 1966).

Betrachtet man als weiteren Faktor, dass Gespräche selten dann beendet werden, wenn die Gesprächsteilnehmenden dies wünschen (Mastroianni, Gilbert, Cooney, Wilson, 2021), so scheint es notwendig, klassisches Timeboxing, das feste Zeitmengen für alle Tätigkeiten festlegt, ebenso wie alternative Kommunikationsformen zu nutzen.

Den hier gennannten fehlenden Aspekten der Videokommunikation im Gegensatz zu persönlichen Treffen wird aktuell eine Emotionalisierung der übertragenen Kommunikationsformen entgegengesetzt. Dieser Trend, der seit der der Einführung der digitalen Kommunikation eine Entwicklung hin zu einem mehr emotionalen Sprachgebrauchs (Scheffer, van de Leemput, Weinans, Bollen, 2021) zeigt, kann auch als Chance für diese Medien begriffen werden.

Ausblick und Fazit

Die Veränderung der Kommunikation durch die Digitalisierung und den New Work- Ansatz erzeugt zwar viele Baustellen, wird aber letztendlich nicht aufzuhalten sein. Betrachten wir dies zusammen mit der Anpassungsfähigkeit der Menschheit, so können wir erkennen, dass mit der Digitalisierung sich auch die Arbeitsweise weiterentwickelt und anpasst.

Diese Angleichung an die digitale Kommunikation ist schon in vollem Gange (Walther, Heide, Ramirez, Burgoon, Peña, 2015), und viele der oben beschriebenen Probleme werden sich folglich lösen. In unserer täglichen Arbeit merken wir längst, wie verschiedene Softwaretools & Methoden die einzelnen Schwierigkeiten des virtuellen Arbeitens aufheben.

Um diese Veränderung als positiven Impuls aufzugreifen und zu nutzten, erscheint es sinnvoll, sich darüber im Klaren zu sein, welcher Form der Kommunikation wir mit welchem Ansatz begegnen und welche Chancen sich für uns hieraus ergeben.

  1. Passen Sie Ihre Meetings an den Zweck des Meetings an. Wann treffen Sie sich persönlich, wann ist eine Videokonferenz effektiver?
  2.  Schalten Sie das eigene Bild in Videokonferenzen, wenn möglich, aus. Am besten gleich für alle Mitarbeiter.
  3. Arbeiten Sie gezielt an Ihrer Meeting-Kultur, legen Sie gemeinsam Regeln fest und sprechen Sie darüber, wer wie am besten kommuniziert.
  4. Begrenzen Sie die Teilnehmende Ihrer virtuellen Meetings auf das absolute Minimum. Wer nicht gebraucht wird, nimmt auch nicht teil.
  5. Gestalten Sie Ihre Homeoffice-Umgebung kreativ. Wie wäre es beispielsweise mit einem teaminternen Wettbewerb um den schönsten Arbeitsplatz?

Literatur

Brucks, M.S., Levav, J. (2022). Virtual communication curbs creative idea generation. Nature 605, 108–112.

Croes, E. A. J., Antheunis, M. L., Schouten, A. P., & Krahmer, E. J. (2019). Social attraction in video-mediated communication: The role of nonverbal affiliative behavior. Journal of Social and Personal Relationships, 36(4), 1210–1232.

Fejfar, M., & Hoyle, R. (2000). Effect of private self-awareness on negative affect and self-referent attribution: A quantitative review. Personality and Social Psychology Review, 4, 132–142.

Hall, Edmund T., Twitchell, Edward. Hall (1966). The hidden dimension. Vol. 609. Anchor. S.119

Hanna, J. E., & Brennan, S. E. (2007). Speakers’ eye gaze disambiguates referring expressions early during face-to-face conversation. Journal of Memory and Language, 57(4), 596-615.

Mastroianni, Adam M., Gilbert Daniel T., Cooney, G., Wilson, T.D. (2021). Do conversations end when people want them to? Proceedings of the National Academy of Sciences 118 (10).

Murali, S., Händel, B. (2022). Motor restrictions impair divergent thinking during walking and during sitting. Psychological Research Jan. 2022.

O’Brien, W., & Yazdani Aliabadi, F. (2020). Does telecommuting save energy? A critical review of quantitative studies and their research methods. Energy and Building, 225(10), 1–15.

Ong, D., Moors, T., & Sivarama, V. (2014). Comparison of the energy, carbon and time costs of videoconferencing and in-person meetings. Computer Communications, 50, 86–94

Reeves, B., Lang, A., Kim, E., & Tatar, D. (1999). The effects of screen size and message content on attention and arousal. Media Psychology, 1, 49–67.

Scheffer M. , van de Leemput , I., Weinans, E., Bollen J. (2021). The rise and fall of rationality in language. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 118 , e2107848118.

Takac, M., Collett, J., Blom, K. J., Conduit, R., Rehm, I., & Foe, A. D. (2019). Public speaking anxiety decreases within repeated virtual reality training sessions. PLOS ONE, 14(5).

Walther, J. B., Heide, B. V. D., Ramirez, A., Burgoon, J. K., & Peña, J. (2015). Interpersonal and hyperpersonal dimensions of computer-mediated communication. In: S. Shyam Sundar (Ed.). The handbook of the psychology of communication technology (pp. 1–22). Wiley Blackwell.