Wie steht es mit der Gleichberechtigung von Frauen im Projektmanagement? Diese Frage hat sich die Tiba Business School gestellt und dabei festgestellt: Bereits 2014 haben sich zwei wesentliche Trends abgezeichnet. In der neuen Trendserie geht Silvia Schmid der Frage nach, wie sich diese Trends entwickelt haben. Dazu hat sie die Sichtweise ausgewählter erfahrener Projektmanagerinnen und Beraterinnen unterschiedlichen Alters eingeholt, die durch ihre Auftragseinsätze in verschiedenen Positionen einen guten Einblick in vollkommen unterschiedliche Unternehmen haben.
Gleichberechtigung ist und bleibt ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft. Denn trotz aller Fortschritte herrschen in vielen Bereichen noch immer die tradierten Rollenbilder vor. Die GPM wollte wissen, ob dies auch für das Projektmanagement gilt – und hat dabei im Rahmen ihrer Studie „Frauen im Projektmanagement“ zwei interessante Trends aufgedeckt.
Trend 1. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Frauen im Projektmanagement erheblich gestiegen. Da vor allem der Anteil der unter 30-jährigen Projektmanagerinnen hoch ist, gehen die Experten davon aus, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt. Elisabeth Kaiser, Betriebswirtin und Teamleiterin, bestätigt diesen Trend und sieht dabei gleichzeitig auch noch weiteren Handlungsbedarf: „[…] In den Projekten selbst erlebe ich es noch häufig, dass Frauen eher in unterstützenden Rollen und weniger in leitenden Funktionen tätig sind. Es liegt daran, dass die alten Rollenbilder noch sehr präsent sind, auch bei den Frauen selbst. Wir trauen uns häufig nicht genug zu. Zudem erleben wir, dass Leitungsfunktionen häufig nach Auftreten und nicht nach Kompetenz vergeben werden.“
Abb. 1: Erworbene Zertifikate (Eigene Darstellung nach Studie GPM „Frauen im Projektmanagement")
Auch die Studie der GPM bestätigt, dass es Frauen weiterhin schwerer haben, als Männer. Denn obwohl sie höhere Bildungsabschlüsse aufweisen, als ihre männlichen Kollegen, erhalten sie weniger Leitungspositionen. Übernehmen sie anteilsmäßig Verantwortung in Führungspositionen, was durchaus häufig vorkommt, weisen sie seltener disziplinarische bzw. Budgetverantwortung auf. Auch stehen ihnen merklich geringere Weiterbildungsbudgets zur Verfügung, obwohl sie mehr Zeit für Weiterbildung investieren. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass sie über mehr Projektmanagement-Zertifikate verfügen als ihre männlichen Kollegen. Zudem werden sie seltener im Ausland eingesetzt, obwohl sie meist über höhere Fremdsprachenkompetenzen verfügen. Diese werden von den Unternehmen im Rahmen internationaler Projekte genutzt.
Trend 2. Frauen mit Projektmanagement-Qualifizierung können sich auch dann in MINT-Bereichen positionieren, wenn sie keine klassische MINT-Ausbildung haben. Sie profitieren dabei von der Brückenfunktion des Projektmanagements. Diana Goniashvili ist Wirtschaftsingenieurin. Ihre Einschätzung: „Ich denke, dass sich hier in den letzten Jahren viel geändert hat – auch weil Frauen im Vergleich zu früher einen ganz anderen Zugang zu Bildung und auch zu MINT-Berufen haben. Wer dann noch selbstbewusst, schlagfertig und kompetent auftritt, wird auch auf Augenhöhe wahrgenommen. Dazu gehört auch, seine eigenen Ziele anzusprechen – so, wie es die männlichen Kollegen auch tun.“
Zahlreiche Unternehmen schöpfen das Potenzial der Frauen im Projektmanagement in der Regel also noch lange nicht aus – hier stimmen die persönlichen Erfahrungen der Beraterinnen mit der Studie der GPM überein. Die Unternehmen halten an tradierten Rollenbildern fest, statt die Chancen zu nutzen, mit hoch motivierten und qualifizierten Frauen ihre Projekte erfolgreich umzusetzen. Die Studie zeigt aber auch, dass immer mehr Unternehmen eben dieses Potenzial erkannt haben und Frauen entsprechend fördern und fordern, um Leitungspositionen mit ihnen zu besetzen.
Um die Situation der Frauen zu verbessern, ist aber auch das Engagement der Betroffenen selbst gefragt. Dies sieht auch Maike Fischer, Projektleiterin und Beraterin so. Sie ist davon überzeugt, dass es nicht Aufgabe von Unternehmen ist, sich dem Thema Gleichberechtigung noch stärker zu widmen, als bisher schon getan. „Ehrlich gesagt, bin ich sogar genervt von übertriebener Political Correctness und stundenlangen Diskussionen um Wortendungen. Aber es wäre gut, wenn die Frauen, die sich aktuell benachteiligt fühlen, für eine Verbesserung sorgen, in dem sie sich aktiv dafür einsetzen. Ob es dafür Weiterbildungsmaßnahmen, Vertragsverhandlungen oder einen Wechsel bedarf, muss jeder selbst entscheiden. Denn auch diese Selbstverantwortung steckt für mich in der Gleichberechtigung.“
Abb. 2: Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Eigene Darstellung nach Studie GPM „Frauen im Projektmanagement")
Auch Karin Schliep ist überzeugt, dass es – unabhängig vom Geschlecht – um den Mehrwert und die Leistungsfähigkeit für das Unternehmen, und somit um dessen langfristige Konkurrenzfähigkeit geht. „[…] Wenn dieses von den Entscheidern erkannt wird, fallen die Geschlechterunterschiede weg. Um die Chancen der Vielfalt in Unternehmen zu nutzen, braucht es vermehrt praktikable, einfache Lösungen für die entsprechenden Bedürfnisse. […] Wenn dieses gegeben ist, können die Mitarbeiter verbessert ihr Potential für Innovation und Fortschritt für das Unternehmen einbringen.“
Als zusammenfassende Antwort auf die Frage, was sich ändern müsste, damit die Trends sich auch weiterhin so positiv entwickeln, bringt es Elisabeth Kaiser auf den Punkt: „Zum einen die Selbstwahrnehmung der Frauen: Es reicht nicht, dass wir unsere Kompetenzen kennen – wir müssen sie auch nach außen sichtbar machen. Dies sollten Frauen gezielt trainieren. Zum anderen sollten Unternehmen bei der Vergabe von Leitungsfunktionen genauer hinschauen und mehr auf die Kompetenzen als auf das Auftreten achten.“