Von Widerstand zu Resilienz: Erkenntnisse der Neurowissenschaft

Wenn eines beim Change Management sicher ist, dann dass Change Practitioner früher oder später auf Widerstand stoßen. Trotz der Vorteile, die Veränderungen mit sich bringen, fällt es vielen Menschen schwer, sich auf sie einzulassen. Folglich wehren sie sich oft dagegen oder vermeiden sie ganz. Die Neurowissenschaft hat die Art und Weise beleuchtet, wie das Gehirn auf Veränderungen reagiert und liefert spannende Erkenntnisse darüber, warum manche Menschen Veränderungen annehmen, während andere sich ihnen widersetzen. In diesem Beitrag betrachten wir neurowissenschaftliche Aspekte, die sich hinter Change Management verbergen und geben Ihnen praktische Tipps, um effiziente Strategien für Ihre Veränderungsprojekte zu entwickeln.  

WIDERSTAND GEGEN VERÄNDERUNGEN: EIN SCHUTZMECHANISMUS UNSERES GEHIRNS

Veränderungen können beängstigend sein. Unser Gehirn ist so programmiert, dass es sich gegen Veränderungen wehrt, die sich bedrohlich oder unsicher anfühlen. Dieser Widerstand ist in der Amygdala verwurzelt, dem Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Furcht und Angst, zuständig ist. Wenn wir eine Bedrohung oder Gefahr wahrnehmen, wird die Amygdala aktiviert und löst die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol aus, was zu Gefühlen von Angst und Furcht führt. Diese Reaktion kann zur Folge haben, dass sich Menschen durch Veränderungen bedroht fühlen, selbst wenn diese letztlich zum Besseren führen.

Um diesen Widerstand zu überwinden, ist es wichtig, die Ängste und Bedenken der Menschen direkt anzusprechen. Dazu kann es gehören, eine klare und überzeugende Vision der Veränderung zu entwerfen. Eine offene und ehrliche Kommunikation über die Gründe für die Veränderung oder die Sicherstellung von Unterstützung und Ressourcen helfen ebenfalls allen Beteiligten bei der Anpassung.

ADKAR Training

WIDERSTÄNDE MIT ADKAR® ÜBERWINDEN

Ein nützliches Modell zur Überwindung von Widerständen gegen Veränderungen ist das ADKAR®-Modell. Dieses Modell konzentriert sich auf fünf Punkte, die jeder Mensch für eine erfolgreiche Veränderung erreichen muss: Bewusstsein, Wunsch, Wissen, Fähigkeit und Verankerung. Indem sie sich mit jeder dieser Phasen befassen, können Change Practitioner und Führungskräfte einen strukturierten und umfassenden Ansatz für ihr Change Management entwickeln.

Beim ersten Schritt, dem Bewusstsein, geht es darum, die Notwendigkeit der Veränderung und die Gründe dafür zu vermitteln. Dazu kann es gehören, Informationen über die Vorteile der Veränderung zu geben und darüber, wie sie mit den Zielen des Unternehmens in Einklang steht.

Als nächstes geht es darum, bei den Beteiligten ein Gefühl der Akzeptanz und Motivation zu schaffen. Dabei ist es unerlässlich, auf die Bedenken und Ängste der Mitarbeiter einzugehen und ihnen eine klare Vorstellung davon zu vermitteln, wie sie von der Veränderung profitieren werden.

DAS KÖNNEN IST NUTZLOS, OHNE BEWUSSTSEIN UND MOTIVATION

Erst wenn die Betroffenen die Notwendigkeit der Veränderung verinnerlicht haben und diese unterstützen, sollte mit dem Aufbau von Know-How begonnen werden. Beim Punkt Wissen geht es darum, die notwendigen Schulungen und Ressourcen zur Unterstützung der Veränderung bereitzustellen. Dies kann neben Schulungen außerdem Coaching und Mentoring sowie den Zugang zu neuen Werkzeugen und Technologien umfassen.

Anschließend geht es beim Können darum, die Voraussetzungen für den Erfolg zu schaffen. Dazu gehören die Beseitigung von Hindernissen für den Wandel, die Bereitstellung von Unterstützung und Ressourcen sowie die Förderung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung.

Und schließlich sorgt die Verankerung dafür, den Wandel langfristig aufrechtzuerhalten. Um Ihren anhaltenden Erfolg zu gewährleisten, sollten Sie laufend Feedback geben, den Fortschritt zu messen und die Veränderung bei Bedarf anpassen.

Durch eine systematische Herangehensweise an den Wandel können Führungskräfte und Change Manager:innen den Mitarbeitenden mithilfe des ADKAR®-Modells helfen, ihren Widerstand zu überwinden und den Wandel anzunehmen, was letztlich zu einem erfolgreicheren Ergebnis führt.

Belohnungssystem unseres Gehirns

DIE AUSWIRKUNGEN VON VERÄNDERUNGEN AUF DAS BELOHNUNGSSYSTEM DES GEHIRNS

Veränderungen können auch das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren, das für Gefühle der Freude und Motivation verantwortlich ist. Wenn wir etwas Neues und Positives erleben, wie z. B. eine erfolgreiche Veränderung, schüttet das Gehirn Dopamin aus, einen Neurotransmitter, der Gefühle der Freude und Belohnung hervorruft. Diese Reaktion kann eine positive Rückkopplungsschleife erzeugen, die die Menschen dazu ermutigt, sich weiterhin auf Veränderungen einzulassen und sich anzupassen.

Um sich diesen Effekt zunutze zu machen, können Führungskräfte Veränderungsmaßnahmen entwerfen, die greifbare Belohnungen für den Erfolg vorsehen, z. B. Boni oder Beförderungen. Sie können auch Erfolge feiern und individuelle Beiträge zum Veränderungsprozess anerkennen, um ein Gefühl der Erfüllung und Motivation zu schaffen.

Emotionen am Arbeitsplatz

DIE ROLLE DER EMOTIONEN BEIM CHANGE MANAGEMENT

Emotionen spielen bei der Bewältigung von Veränderungen eine entscheidende Rolle. Sie beeinflussen unser Verhalten und unsere Entscheidungsfindung, wodurch sie den Veränderungsprozess entweder unterstützen oder behindern. Emotionale Intelligenz, also das Bewusstsein und die Steuerung der eigenen Emotionen, kann ein wertvolles Instrument sein, um den Wandel erfolgreich zu bewältigen. Emotional intelligente Führungskräfte schaffen eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit, die es den Mitarbeitenden erleichtert, ihre Bedenken und Ideen in Bezug auf den Wandel mitzuteilen.

Um emotionale Intelligenz zu kultivieren, sollten sich Führungskräfte auf die Entwicklung ihres Einfühlungsvermögens und ihrer sozialen Fähigkeiten konzentrieren. Sie können auch andere dazu ermutigen, dasselbe zu tun, um so eine Kultur der emotionalen Intelligenz innerhalb der Organisation zu schaffen.

PROSCI® UND EMOTIONALE INTELLIGENZ

Die Prosci® Methodik ist ein weltweit verbreiteter Ansatz für Change Management, der sich auf die menschliche Ebene des Wandels konzentriert. Es handelt sich dabei um einen strukturierten, forschungsbasierten Ansatz zur Durchführung von Veränderungen. Dieser schließt Strategien zur Bewältigung von Widerständen, zum Aufbau von Bewusstsein und Engagement sowie zur Verankerung der Veränderung ein. Die Prosci® Methodik bietet Change Manager:innen einen Rahmen, um ihre emotionale Intelligenz weiterzuentwickeln.

Einer der wichtigsten Grundsätze der Prosci® Change Management Methodik ist die Bedeutung von Empathie und aktivem Zuhören. Diese Fähigkeiten sind von zentraler Bedeutung für die emotionale Intelligenz. Dabei geht es darum, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und zu steuern sowie die Emotionen anderer zu verstehen und darauf zu reagieren. Durch Einfühlungsvermögen und aktivem Zuhören können Change Manager:innen Vertrauen und eine gute Beziehung zu den Beteiligten aufbauen. Dadurch gelingt es einfacher, die Notwendigkeit von Veränderungen zu vermitteln und auf die Bedenken der Menschen einzugehen.

Prosci Change Management Training

Ein wesentlicher Bestandteil der Prosci® Methodik ist die Stakeholder-Analyse. Durch die Identifizierung verschiedener Stakeholder-Gruppen und den Austausch mit ihnen, lernen Sie deren einzigartigen Perspektiven und Bedürfnisse zu verstehen. Dieser Prozess kann durch emotionale Intelligenz unterstützt werden. Wenn Change Manager:innen ihre Fähigkeiten in Bezug auf Empathie und aktives Zuhören nutzen, verstehen sie den emotionalen Kontext jeder Stakeholder-Gruppe und können ihren Ansatz entsprechend anpassen.

Prosci® unterstreicht auch die Bedeutung von Kommunikation und Engagement während des gesamten Veränderungsprozesses: Effektive Kommunikation erfordert emotionale Intelligenz, da Change Manager:innen in der Lage sein müssen, die emotionalen Signale ihrer Stakeholder zu lesen und darauf zu reagieren. Durch den Einsatz emotionaler Intelligenz zur Anpassung ihrer Botschaften und ihres Ansatzes bauen Change Practitioner Vertrauen und Engagement auf. Auf diese Weise steigern Sie die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Veränderungsergebnisse.

WIDERSTÄNDE UND EMOTIONEN VERSTEHEN

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Change Management aus neurologischer Sicht bedeutet, zu verstehen, wie das Gehirn Veränderungen verarbeitet und darauf reagiert. Indem Sie auf die Ängste und Sorgen der Menschen eingehen, emotionale Intelligenz kultivieren und das Belohnungssystem des Gehirns nutzen, schaffen Sie eine Unternehmenskultur, die Veränderungen begrüßt und sich leichter anpasst. Wenn wir die neurowissenschaftlichen Grundlagen des Change Management verstehen, können wir Einzelpersonen und Organisationen helfen, den Wandel effektiver zu bewältigen und in einer sich schnell verändernden Welt erfolgreich zu sein.

LITERATUREMPFEHLUNGEN

  1. “ Neuroscience for Organizational Change: An Evidence-based Practical Guide to Managing Change “ von Hilary Scarlett. Dieses Buch befasst sich mit den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaft darüber, wie das Gehirn auf Veränderungen reagiert. Zusätzlich bietet es praktische Anleitungen zum Nutzen dieser Erkenntnisse für Change Management.
  2. „Brain-Savvy Change Management: Practical Strategies to Lead and Navigate Change“, ebenfalls von Hilary Scarlett. In diesem Buch finden Sie einen praktischen Change Management Leitfaden. Dieser stützt sich auf die neuesten Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften und der Psychologie. Darüber hinaus enthält es Strategien für die Bewältigung von Widerständen gegen Veränderungen oder den Aufbau von Widerstandsfähigkeit.
  3. “ The Science of Organizational Change: How Leaders Set Strategy, Change Behavior, and Create an Agile Culture “ von Paul Gibbons. Dieses Buch kombiniert Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, der Psychologie und der Verhaltensökonomie, um einen umfassenden Change Management Rahmen zu schaffen.

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